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„Wir wollen Leben fördern“

Landesbischof July übergibt Scheck in Höhe von 900.000 Euro an Kinderhospiz

Stuttgart. Mit 900.000 Euro fördert die Evangelische Landeskirche in Württemberg das Kinder- und Jugendhospiz in Stuttgart. „Wir wollen Leben fördern – ein steiler Satz für einen Ort, an dem wir die Grenzen des Lebens erfahren und erleiden. Dennoch sagen wir vom christlichen Glauben getragen: Hier sind wahrhaftige Lebensräume. Räume der Begegnung und Erfahrung sowie des Aufeinanderhörens und Miteinandersehens. Kinder und ihre Eltern sollen bei aller Herausforderung dieses Haus als einen Ort der Unbefangenheit erleben“, so der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July bei der symbolischen Scheckübergabe am Freitag, 10. August, in Stuttgart. „Dieses Haus ist ein Zeichen dafür, dass christlicher Glaube, Diakonie und Kirche inmitten des Alltags und der Herausforderungen dieses Lebens präsent sind und etwas zu sagen haben.“

Für die Landessynode, die den Betrag zur Verfügung gestellt hat, sprach Inge Schneider. „Es ist mir eine besondere Freude, dass es das Kinderhospiz gibt“, so die Synodalpräsidentin. „Als Mutter eines Kindes, das jahrelang mit dem Tod gekämpft hat, weiß ich, was Familien in dieser Situation mitmachen und wie nötig sie jede Unterstützung brauchen.“

„Das stationäre Kinderhospiz schließt eine schmerzhafte Lücke im Raum Stuttgart und man bräuchte davon im Land noch etliche mehr“, betonte Eva-Maria Armbruster, Vorstand Sozialpolitik im Diakonischen Werk Württemberg. Ein lebensbegrenzend erkranktes Kind zu haben, bringe Familien immer an die Grenze der Belastbarkeit. Sie brauchen eine zugewandte ambulante Begleitung im Alltag und Zeiten zum Auftanken. „Das Kinderhospiz stärkt die Kinder, ihre Eltern, Geschwister und ihre Familien. Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hospiz halten mit ihnen durch und halten mit ihnen aus, was immer auch auf sie zukommt: ein wichtiger diakonischer Beitrag zur Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen“, sagte Armbruster.

Eine sehr positive Bilanz zieht der Initiator des Stuttgarter Hospizes wie auch des Kinder- und Jugendhospizes Prälat i. R. Martin Klumpp. „Das Kinderhospiz entwickelt sich hervorragend. Bisher sind mehr als 120 Familien bei uns untergekommen. Wir sind froh, dass das Haus ausgelastet ist und wir die Stellen so qualifiziert besetzen konnten.“ Das sei angesichts dessen, was sich auf dem Pflegemarkt derzeit abspiele, fast ein Wunder. Klumpp äußerte sich dankbar gegenüber den Krankenkassen, mit denen Pflegesätze vereinbart werden konnten, wie auch gegenüber der Landeskirche und ihrem Investitionskostenzuschuss in Höhe von 900.000 Euro. Dennoch seien beide Hospize weiterhin auf große und kleine Spenden angewiesen. „Ein Kinderhospiz braucht – und das ist bundesweit vergleichbar – einen jährlichen Zuschuss von 700.000 Euro, das Hospiz für Erwachsene einen Zuschuss von jährlich 400.000 Euro. Das heißt, wir sind pro Jahr auf Spenden in Höhe von 1,2 Millionen angewiesen“, betonte Klumpp.

„Wir sind kein Sterbehaus, sondern wollen zum Leben ermutigen und Leben fördern“, so Klumpp weiter. Die tatsächlichen Kosten lägen so weit über den Pflegesätzen, weil lebensbegrenzt erkrankte Kinder rund um die Uhr einen sehr hohen Aufwand brauchen und das Haus viele Therapieformen anbiete wie etwa Musik-, Mal- oder Bewegungstherapie. Hinzu komme, dass mit den schweren Krankheiten, mit denen die Kinder und Jugendliche ins Hospiz kommen, nicht nur medizinische Kosten verbunden seien. Die Familien litten in der Regel finanzielle Not. Häufig gebe ein Elternteil wegen der Krankheit des Kindes seine Erwerbsarbeit auf und damit einen Teil des Familieneinkommens. Zudem belaste die Krankheit Eltern und Geschwister sehr und könne Ehen gefährden. „Deshalb begleiten wir die ganze Familie. Häufig können die Eltern bei uns nach Jahren das erste Mal wieder durchschlafen.“

„Mit der großen Nachfrage habe ich persönlich nicht gerechnet, weil wir bundesweit mit vielen Kinderhospizen in Kontakt sind, bei denen das anders ist“, sagte Pfarrerin Elisabeth Kunze-Wünsch, die beide Häuser leitet. Sie ist begeistert von ihrem jungen, multiprofessionellen Team aus haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern, das ungeheuer engagiert und mit viel Initiative bei der Sache sei und erklärt sich die hohe Auslastung mit der langjährigen ambulanten Hospizarbeit. Zudem vernetze die „Landesstelle Palliativ Care Kinder und Jugendliche“ die einzelnen Hilfsorganisationen für lebensverkürzt erkrankte Kinder und mache das Hospiz bekannt.

„Als Kinderhospiz unterscheiden wir uns deutlich von einem Erwachsenenhospiz“, hob die stellvertretende Pflegedienstleitung Beate Barthel hervor. „Wir haben eine ganz besondere Patientengruppe, die von Frühgeborenen bis zu jungen Erwachsenen im Alter von 27 Jahren reicht. Die wollen wir entsprechend ihrer Entwicklung, ihres Krankheitsbildes und ihrer körperlichen Möglichkeiten begleiten.“ Dazu brauche man eine breit gefächerte Ausstattung und Möblierung sowie entsprechendes Spielzeug. Auch das Personal sei anders zusammengesetzt. Drei Viertel der Pflegekräfte kommen aus der Kinderkrankenpflege, nur ein Viertel aus der Erwachsenenkrankenpflege.

Zudem begleite das Hospiz die ganze Familie. „Die Eltern sollen sich mit den Kindern erholen und entspannen können. Sie sind ohnehin in eine Situation geworfen, auf die sie nicht vorbereitet waren und sind häufig am Limit ihrer Kräfte.“ Für die Arbeit mit den Geschwistern gebe es eine eigene Stelle und Angebote, bei denen sie sich öffnen und auch mal im Mittelpunkt stehen können, was zuhause oftmals nicht möglich sei. „Und die Kinder sterben meist zuhause. Das ist im Erwachsenenhospiz anders“, so Barthel. 


Information
Von den etwa 23.000 lebensbegrenzt erkrankten Kindern und Jugendlichen in Deutschland sterben etwa 5.000 Kinder jedes Jahr. In Baden-Württemberg haben etwa 3.000 Kinder eine lebensbegrenzende Erkrankung. Davon sterben etwa 350 Kinder pro Jahr. Umgerechnet auf den Großraum Stuttgart heißt dies, dass hier 750 lebensbegrenzend erkrankte Kinder und Jugendliche leben. 85 von ihnen sterben ungefähr jedes Jahr. Das Hospiz Stuttgart bietet mit dem ambulanten Kinder- und Jugendhospiz bereits seit 2004 die Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit ihren Familien an. Mit dem stationären Kinder-und Jugendhospiz bietet das Hospiz Stuttgart seit Dezember 2017 einen Ort, an dem lebensbegrenzt erkrankte Kinder, Jugendliche mit und ohne ihre Familien zeitweise leben können. Träger des Kinderhospizes ist der Evangelische Kirchenkreis Stuttgart.


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10.08.2018

Scheckübergabe Kinder- und Jugendhospiz Stuttgart
Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July übergibt gemeinsame mit Synodalpräsidentin Inge Schneider einen Scheck in Höhe von 900.000 Euro.