| Landeskirche

„Eine gepflegte Ökumene“

Württembergischer Arbeitskreis Orthodoxie wird 40 Jahre alt

Vor 40 Jahren konnte man in Baden-Württemberg mit orthodoxen Christen nicht viel anfangen. Auf staatlichen Formularen war außer evangelisch und katholisch keine andere Konfession vorgesehen - mit der Folge, dass etwa orthodoxe Griechen bei der Kirchensteuer einfach der evangelischen Kirche zugeschlagen wurden. Am 8. Dezember 1978 gründete sich in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg der Arbeitskreis Orthodoxe Kirchen. Zum 40. Geburtstag, den der Kreis an diesem Freitag, 23. November, in Stuttgart feiert, ziehen die Verantwortlichen eine positive Bilanz. 

LoloStock - Fotolia.com

Rund zwei Millionen orthodoxe Christen gibt es schätzungsweise in Deutschland - damit stellen sie die drittgrößte Konfession in der Republik dar. Alleine in Baden-Württemberg soll es 140 Gemeinden geben. Die meisten Orthodoxen stammen aus Griechenland, Rumänien oder Serbien. Aber auch Syrer, Russen und Armenier sind im Südwesten vertreten. Orthodoxe Kirchen gingen aus der großen Kirchenspaltung im Mittelalter hervor, als sich lateinische Westkirche mit ihrem Zentrum in Rom und griechische Ostkirche mit dem Zentrum Konstantinopel voneinander trennten. 

Viele orthodoxe Praktiken sind Christen in Deutschland bis heute fremd. Stundenlange Gottesdienste, in denen die Liturgie in einer oft selbst für die Gläubigen unverständlichen Sprache gefeiert wird; die Verehrung von Heiligenbildern; der durch Türen abgeschlossene „allerheiligste“ Altarraum einer Kirche, in den nur die Priester und Diakone dürfen. Von einer württembergischen evangelischen Sonntagsfeier mit offenem Altarraum, kurzer Liturgie und langer Predigt ist das alles weit entfernt. 

Stefan HermannEMH/Gottfried Stoppel

„Begegnen, Kennenlernen, Sprechen“ ist deshalb bis heute das Ziel des württembergischen Arbeitskreises Orthodoxe Kirchen, wie sein Vorsitzender Stefan Hermann sagt. Es gehöre zu einem „guten Umgang mit Vielfalt“, mit Menschen aus der Orthodoxie zu reden und ihren Glauben besser zu verstehen. Er selbst habe bei den Begegnungen viel gelernt. So fasziniere ihn, dass dort im Gottesdienst die Bibel aus dem abgesperrten „Allerheiligsten“ zur Gemeinde getragen werde. „Dadurch stellt sich mir die Frage: Was ist uns Protestanten eigentlich heilig?“

Auch Pfarrerin Senta Zürn, Geschäftsführerin des Arbeitskreises, hat Gefallen an Elementen orthodoxer Frömmigkeit gefunden. In den Gottesdiensten werde das „Geheimnisvolle“ des Glaubens auf vielfältige Weise abgebildet. Gleichzeitig enthalte die Liturgie sehr viele Bibeltexte, was ihr als Protestantin besonders zusage.

Der Arbeitskreis ist keine Einbahnstraße. Zu Gast sind häufig auch orthodoxe Theologiestudenten, die ihrerseits den württembergischen Protestantismus kennenlernen. Für die weltweite Ökumene kann das durchaus Bedeutung entwickeln, da diese Auslandsstudenten in ihrer Heimat oft an wichtige Positionen gelangen. So habe einer inzwischen eine Stelle im Außenamt der Russisch-Orthodoxen Kirche, erläutern Hermann und Zürn. 

Senta Zürnprivat

Der Arbeitskreis, zu dem rund 50 Frauen und Männer gehören, trifft sich seit 40 Jahren drei Mal im Jahr, veranstaltet Tagungen und knüpft auch bei Auslandsreisen Kontakte zu orthodoxen Vertretern. Streitpunkte zwischen protestantischen und orthodoxen Kirchen, darunter die Ordination von Frauen und die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, werden angesprochen, aber nicht in den Mittelpunkt gestellt. Auch die Machtkämpfe zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel sind Gesprächsthema. Öffentliche Stellungnahmen erarbeitet der Kreis aber nicht. „Wir treiben hier gepflegt Ökumene“, unterstreicht Senta Zürn.

Über die Begegnungen hinaus unterstützt der Arbeitskreis und mit ihm die Landeskirche orthodoxes Leben in Württemberg. Schon vor Jahren wurde ein Gemeindezentrum in Stuttgart-Feuerbach mitfinanziert. In jüngster Zeit half man den ostkirchlichen Glaubensgeschwistern, die Grundlagen für orthodoxen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen zu schaffen. Einen Bildungsplan dazu gibt es schon. Nun komme es darauf an, mit entsprechend ausgebildeten Lehrern an den Schulen mit dem Unterricht zu starten, die in ausreichender Zahl von orthodoxen Kindern besucht werden, erläutert Stefan Hermann. 

Dr. Diradur Sardaryan, Landesbischof Frank Otfried July und Metropolit Augoustinos (vlnr)EMH/Jens Schmitt

„Was mit der Gründung des Arbeitskreises Orthodoxe Kirchen in der Evangelischen Landeskirche vor 40 Jahren mit ersten kleinen Schritten begann, hat inzwischen nicht nur nachhaltige Spuren hinterlassen, sondern ist zu einem Weg geworden, der eine weite und herausfordernde Zukunft hat“, sagt Landesbischof Frank Otftried July anlässlich des Jubiläums. Die Bedeutung ökumenischen Begegnungslernens und ökumenischer Gemeinschaft in Verschiedenheit werde in Zukunft weiter zunehmen. Dies zeige sich auch im zwischenkirchlichen Umgang mit gemischtkonfessionellen Familien, beispielsweise in Fragen einer kirchlichen Trauung, der Taufe der Kinder bis hin zu einer gemeinsamen Gestaltung des Abschiedes von geliebten Menschen bei der Bestattung. „Im Miteinander der Vielfalt der evangelischen Kirche und der orthodoxen Kirchen hier in Württemberg ist in den vergangenen Jahren seit dem Bestehens des Arbeitskreises Orthodoxe Kirchen eine breite Basis des Vertrauens gewachsen, das den gemeinsamen Weg in die Zukunft sowie kommende gesellschaftliche Herausforderungen mit großer Zuversicht erfüllt sein lässt", so July.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)

Der Arbeitskreis Orthodoxe Kirchen feiert seinen runden Geburtstag am Freitag, 23. November, ab 15 Uhr in der Evangelischen Diakonissenanstalt Stuttgart. Landesbischof Frank Otfried July wird dazu einen Impuls und eine Andacht beitragen.

Mehr News

  • Datum: 16.04.2024

    Zum 200. Todestag von Beata Regina Hahn

    Vor 200 Jahren starb Beata Regina Hahn, die zweite Ehefrau des Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn, Tochter von Johann Friedrich Flattich und Mutter der Schulgründerin Beate Paulus. Als Herausgeberin von Hahns Schriften prägte sie dessen Bild für viele Jahre.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    „Wir beten, dass die zerstörende Gewalt ein Ende nimmt“

    Die Landeskirchen in Württemberg und Baden haben den Jüdinnen und Juden im Land Grüße zum Pessach-Fest übersandt. Darin nehmen Landesbischof Gohl und Landesbischöfin Springhart Bezug auf den Angriff der Hamas wie auch auf den Raketenangriff des Iran auf Israel.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    Hoffnung wird durch Menschen vermittelt

    Bei einer religionspolitischen Tagung der SPD-Bundestagsfraktion am 12. April in Berlin unter dem Titel „Mehr Zuversicht! Mit Hoffnung die Zeiten wenden“ betonte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, wer die Verwurzelung in Jesus Christus spüre, werde für andere zur Hoffnung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 13.04.2024

    Landesbischof Gohl: "Wir stehen an der Seite Israels"

    "Der Angriff des Iran bedroht die Existenz Israels. Wir müssen daran erinnern, dass alles mit dem Pogrom der Hamas an Israel begann." Gohl weist weiterhin auf die israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas hin.

    Mehr erfahren
  • Datum: 12.04.2024

    Klassik und Pop Hand in Hand

    Die Evangelische Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen hat schon früh einen Studiengang für populare Kirchenmusik eingerichtet und war damit in der EKD Vorreiter. Prof. Thomas J. Mandl und Prof. Patrick Bebelaar erklären, was das Besondere an der HKM ist.

    Mehr erfahren
  • Datum: 12.04.2024

    Innovationstag: Jetzt anmelden!

    Frische Ideen fürs Gemeindeleben: Unter dem Motto „#gemeindebegeistert – Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ veranstaltet die Landeskirche am 4. Mai einen großen Innovationstag. In Projektpräsentationen und Workshops gibt’s Austausch und Tipps. Jetzt anmelden

    Mehr erfahren
  • Datum: 11.04.2024

    Woche für das Leben 2024

    Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist zentrale Aufgabe von Politik, Kirche und Gesellschaft. Darauf verweisen die großen christlichen Kirchen in Baden-Württemberg anlässlich der am Samstag beginnenden ökumenischen „Woche für das Leben 2024“.

    Mehr erfahren
  • Datum: 11.04.2024

    Zum Tod von Pfarrer i.R. Konrad Eißler

    Pfarrer Konrad Eißler ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Landesweit war er bekannt für seine klare Haltung und seine humorvollen Predigten. An der Stiftskirche gründete er die Stuttgarter Jugendgottesdienste, ein zu seiner Zeit neues und einmaliges Format.

    Mehr erfahren
  • Datum: 10.04.2024

    KI: Gerechtigkeit, Bildung, Gemeinschaft

    Beim Thementag „KI, Ethik, Kirche“ auf dem Bildungscampus in Heilbronn ordnete Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl die ethischen Herausforderungen der Nutzung Künstlicher Intelligenz theologisch ein. Hier finden Sie den Wortlaut des Grußwortes von Landesbischof Gohl.

    Mehr erfahren
  • Datum: 10.04.2024

    Thementag „KI, Ethik, Kirche“

    Rund 160 Teilnehmende aus den unterschiedlichsten Bereichen der Landeskirche haben sich auf dem Bildungscampus Heilbronn über Künstliche Intelligenz informiert und die Anwendungsmöglichkeiten in kirchlichen Organisationen diskutiert.

    Mehr erfahren
  • Datum: 10.04.2024

    Segen, Mut & Traubenzucker

    In diesen Wochen stehen an vielen Schulen Abschlussprüfungen an - für Schülerinnen und Schüler eine stressige Zeit. Die Ev. Jugendkirche Stuttgart macht mit einem speziellen PrüfungsSegen Mut und stellt auch anderen Gemeinden Materialien zur Verfügung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 08.04.2024

    „Ein weiter Weg zur Gleichberechtigung“

    „Der internationale Romatag am 8. April macht uns darauf aufmerksam, dass für Angehörige der Minderheit der Alltag noch immer aus vielen Diskriminierungen besteht.“ Darauf weist Silke Stürmer, landeskirchliche Beauftragte für die Zusammenarbeit mit Sinti und Roma hin.

    Mehr erfahren
Mehr laden