| Gedenktag

Zwischen Afghanistan, Angst und Anfeindung

Asylpfarrer Joachim Schlecht fordert mehr Geduld mit Flüchtlingen

"Die Flüchtlinge kriegen alles, die Deutschen kriegen nichts." Diesen Satz hört Joachim Schlecht immer wieder. Der Asylpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Stuttgart und landeskirchlicher Beauftragte für Asyl und Migration weiß, dass das nicht stimmt. Aber er kann nachvollziehen, dass sich Menschen im Stich gelassen fühlen. Schlecht sieht die Politik in der Pflicht, sich verstärkt für die sozial Schwachen einzusetzen: „Wenn zum Beispiel der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in den Städten endlich behoben würde, müssten Flüchtlinge und Geringverdiener nicht mehr um die wenigen verfügbaren Wohnungen konkurrieren“, sagt er. Ein Beitrag von Marie-Louise Neumann zum Welttag gegen Rassismus am 21. März.

Asylpfarrer Joachim SchlechtEvangelisches Medienhaus Stuttgart

Schlecht möchte, dass alle in Deutschland lebenden Geflüchteten Sprachkurse und eine Arbeitserlaubnis bekommen. Denn auch Flüchtlinge, die keine persönliche Verfolgung nachweisen können, würden zum Beispiel wegen eines Krieges im Heimatland oder anderer Abschiebehemmnisse manchmal jahrelang in Deutschland bleiben. Diese Menschen sollten die Möglichkeit haben, Deutschkurse zu besuchen oder legal zu arbeiten. „Dann könnten sie nach ihrer Rückkehr in ihrem Heimatland als gebildete Botschafter für mehr Humanität eintreten“, so Joachim Schlecht.

Der Asylpfarrer wünscht sich mehr Geduld von deutscher Seite, wenn es um die Anpassung von Flüchtlingen an westliche Normen geht. „Wir müssen uns bewusst machen, was für Welten zwischen unserer Kultur und derjenigen der oft konservativ geprägten Geflüchteten liegen“, sagt er. Selbst wenn der Wille zur Integration vorhanden sei, könne man nicht von einer muslimischen Frau erwarten, dass sie von heute auf morgen ihr Kopftuch ablege: „Das wäre, als würde ich von Ihnen verlangen, im Bikini über die Stuttgarter Königsstraße zu laufen.“


Joachim Schlecht ist landeskirchlicher Beauftragter für Asyl und Migration sowie Asylpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Stuttgart und Leiter des Arbeitskreises Asyl. Der Arbeitskreis Asyl setzt sich seit 1986 für Flüchtlinge und Asylbewerber in Deutschland ein. Einmal im Monat treffen sich ehrenamtliche Helfer, Geflüchtete und hauptamtliche Mitarbeiter des AK Asyl zum Plenum.


Auch manche Christen scheinen wenig Geduld und Toleranz für Flüchtlinge aufzubringen, obwohl für sie der Grundsatz gelte: „Richtet nicht, so werdet auch ihr nicht gerichtet werden!“ So hat Schlecht selbst erlebt, wie ein ihm bekannter Christ eine Muslima in der S-Bahn anschrie: „Sie können doch kein Kopftuch tragen! Das ist ja wohl unmöglich."

Für Pfarrer Schlecht ist das kein Einzelfall. In seinem Amt hört er jeden Tag Geschichten von Diskriminierung und Ausgrenzung. Auch er selbst bekommt Briefe, in denen er als „Gutmensch“ verhöhnt wird oder gar als einer, der „Deutschland in den Abgrund treibt."

„Jeder, der ein bisschen nachdenkt wird, zu der Einsicht kommen, dass auch der Fremde Schutz braucht und wir Menschen uns gegenseitig helfen sollten“, betont Schlecht. Er sieht gerade für Christen Handlungsbedarf. „Vor Gott sind alle Menschen gleich. Diese Aussage zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel“, sagt er. Die Menschen hätten als Gottes Geschöpfe die Pflicht, sich gegenseitig zu akzeptieren und zu unterstützen: „Auch der Geflüchtete ist ein Kind Gottes und wir müssen deswegen alles tun, damit sein Leben blüht und nicht verdorrt.“


Vom 13. bis 26. März 2017 finden die internationalen Wochen gegen Rassismus statt. Ihren Ursprung haben diese in einem Ereignis, das sich am 21. März 1960 ereignete. An diesem Tag protestierte eine Gruppe friedlicher Demonstranten in Südafrika gegen die Apartheidspolitik. Der Aufstand wurde von den Behörden blutig niedergeschlagen und kostete 69 Menschen das Leben. 1966 riefen die Vereinten Nationen den 21. März als „Internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung“ aus. Seit 1979 wurde der Tag durch die „Woche gegen Rassismus“ ergänzt.



Mehr News

  • Datum: 18.04.2024

    „Kirche mit Kindern“ ist einfach lebendig

    Vom Kindergottesdienst zu einer Kirche für die ganze Familie: Lebendiger und spannender Gottesdienst mit neuen Herausforderungen. Wir haben Sabine Foth gefragt, wie sich die Kirche mit Kindern zu einer Familienkirche gewandelt hat und was ihr an der Arbeit besonders gefällt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    Video: Multitalent mit Down-Syndrom

    Tamara Röske hat viele Talente: Schauspielern, Modeln und Leichtathletik – trotz Handicap. Die 28-Jährige hat das Down-Syndrom. Wie bringt sie alles unter einen Hut? Darüber spricht sie zusammen mit ihrer Mutter Antje mit „Alpha & Omega“-Moderatorin Heidrun Lieb.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Innovationstag: Jetzt anmelden!

    Frische Ideen fürs Gemeindeleben: Unter dem Motto „#gemeindebegeistert – Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ veranstaltet die Landeskirche am 4. Mai einen großen Innovationstag. In Projektpräsentationen und Workshops gibt’s Austausch und Tipps. Jetzt anmelden

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Segen, Mut & Traubenzucker

    In diesen Wochen stehen an vielen Schulen Abschlussprüfungen an - für Schülerinnen und Schüler eine stressige Zeit. Die Ev. Jugendkirche Stuttgart macht mit einem speziellen PrüfungsSegen Mut und stellt auch anderen Gemeinden Materialien zur Verfügung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Digitaler Notfallkoffer für die Seele

    Hilfe in persönlichen Krisenmomenten bietet die KrisenKompass-App der Telefonseelsorge fürs Handy und Tablet. Sie bietet Unterstützung, um schnell wieder auf positive Gedanken zu kommen oder bei Bedarf rasch professionelle Hilfe finden zu können.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Zum 200. Todestag von Beata Regina Hahn

    Vor 200 Jahren starb Beata Regina Hahn, die zweite Ehefrau des Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn, Tochter von Johann Friedrich Flattich und Mutter der Schulgründerin Beate Paulus. Als Herausgeberin von Hahns Schriften prägte sie dessen Bild für viele Jahre.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    „Wir beten, dass die zerstörende Gewalt ein Ende nimmt“

    Die Landeskirchen in Württemberg und Baden haben den Jüdinnen und Juden im Land Grüße zum Pessach-Fest übersandt. Darin nehmen Landesbischof Gohl und Landesbischöfin Springhart Bezug auf den Angriff der Hamas wie auch auf den Raketenangriff des Iran auf Israel.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    Hoffnung wird durch Menschen vermittelt

    Bei einer religionspolitischen Tagung der SPD-Bundestagsfraktion am 12. April in Berlin unter dem Titel „Mehr Zuversicht! Mit Hoffnung die Zeiten wenden“ betonte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, wer die Verwurzelung in Jesus Christus spüre, werde für andere zur Hoffnung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 13.04.2024

    Landesbischof Gohl: "Wir stehen an der Seite Israels"

    "Der Angriff des Iran bedroht die Existenz Israels. Wir müssen daran erinnern, dass alles mit dem Pogrom der Hamas an Israel begann." Gohl weist weiterhin auf die israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas hin.

    Mehr erfahren
  • Datum: 12.04.2024

    Klassik und Pop Hand in Hand

    Die Evangelische Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen hat schon früh einen Studiengang für populare Kirchenmusik eingerichtet und war damit in der EKD Vorreiter. Prof. Thomas J. Mandl und Prof. Patrick Bebelaar erklären, was das Besondere an der HKM ist.

    Mehr erfahren
  • Datum: 11.04.2024

    Woche für das Leben 2024

    Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist zentrale Aufgabe von Politik, Kirche und Gesellschaft. Darauf verweisen die großen christlichen Kirchen in Baden-Württemberg anlässlich der am Samstag beginnenden ökumenischen „Woche für das Leben 2024“.

    Mehr erfahren
  • Datum: 11.04.2024

    Zum Tod von Pfarrer i.R. Konrad Eißler

    Pfarrer Konrad Eißler ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Landesweit war er bekannt für seine klare Haltung und seine humorvollen Predigten. An der Stiftskirche gründete er die Stuttgarter Jugendgottesdienste, ein zu seiner Zeit neues und einmaliges Format.

    Mehr erfahren
Mehr laden