| Interreligiöser Dialog

„Wir werden in unseren Kirchen Antisemitismus in jeder Form in aller Klarheit entgegentreten“

Gemeinsamer Gruß der vier großen Kirchen zum jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl.Bild: Gottfried Stoppel

Die vier großen Kirchen in Baden-Württemberg haben sich mit einem gemeinsamen Gruß zum jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana des Jahres 5785 des jüdischen Kalenders an die jüdischen Menschen und Gemeinden im Land gewandt. Das Fest dauert vom 2. bis 4. Oktober.

Im Folgenden lesen Sie den Volltext des Neujahrsgrußes von Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl (Evangelische Landeskirche in Württemberg), Landesbischöfin Prof. Dr. Heike Springhart (Evangelische Landeskirche in Baden), Erzbischof Stephan Burger (Erzdiözese Freiburg) und Dr. Clemens Stroppel (Diözesanadministrator der Diözese Rottenburg Stuttgart): 

 

Sehr geehrter, lieber Herr Landesrabbiner,  

sehr geehrte, liebe Rabbiner und Kantoren,  

sehr geehrte, liebe Frau Professorin Traub, sehr geehrter, lieber Herr Suliman,  

sehr geehrte, liebe Vorsitzende in den jüdischen Gemeinden,  

liebe Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg,  

Schana towa umeworachat – ein gutes und gesegnetes neues Jahr 5785 wünschen wir Ihnen im Namen der vier Kirchen unseres Landes und auch persönlich. Möge das neue Jahr Freude und Frieden bringen: in den Gottesdiensten und den jüdischen Häusern unseres Landes, in Israel und in aller Welt. Unsere guten Gedanken und Gebete begleiten Sie am 1. Tischrei, am Abend unseres 2. Oktober.  

Das vergangene Jahr hat so viel Elend, Leid und Tod, so viel herzzerreißende Trauer und zugleich so viel ungebrochenen Willen zum Leben gebracht. Die Ungewissheit um das Leben der Geiseln, die reale Gefahr eines großen Krieges in Israel und die Bedrohung jüdischer Menschen – im Netz und auf der Straße, in Hörsälen und im privaten Umfeld – erschrecken auch uns. Das Pogrom am 7. Oktober und seine Folgen machen uns immer noch fassungslos. Bedrückt nehmen wir wahr, wie verheerend die Auswirkungen auch auf die Mitglieder der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik sind.  

Wir werden auch weiterhin judenfeindlichen Äußerungen klar widersprechen und in unseren Kirchen Antisemitismus in jeder Form in aller Klarheit entgegentreten. Miteinander gehen wir gegen radikale Tendenzen jeder Art vor. Wir unterstützen und bestärken die politischen Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger in ihrer Verantwortung für die Sicherheit jüdischen Lebens in unseren Städten und Gemeinden.    

Zu Rosch haSchana rückt die Welt als Gottes Schöpfung in den Blick und in ihr Adam, der fehlbare Mensch. Adam ist zur Antwort gerufen, zur Verantwortung berufen. Wir alle sind Kinder Adams. Tikkun Olam, das „Wiederherrichten“ der Welt, ist ein wesentlicher Gedanke der jüdischen Tradition und zugleich eine Menschheitsaufgabe. Als Christinnen und Christen wissen wir uns dieser Aufgabe verpflichtet: Im Angesicht Gottes, des Richters aller Welt, zu leben und unseren Teil dazu beizutragen, dass ein jeder und eine jede in Frieden leben kann. 

Der Ewige breite die Hütte seines Friedens aus über das ganze Haus Israel und seine Welt. 

Darum und trotz aller Sorgen ein frohes und freudiges neues Jahr 5785! 

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, Landesbischöfin Prof. Dr. Heike Springhart, Erzbischof Stephan Burger und Diözesanadministrator Dr. Clemens Stroppel 


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