| Landeskirche

„Durch künstlerischen Ausdruck behaupten Menschen ihre Würde“

4. Kunstpreis der Landeskirche in Mariaberg verliehen

Am Sonntag, 8. Mai, wurde in Mariaberg der 4. Kunstpreis der württembergischen Landeskirche an den 34-jährigen Stuttgarter Künstler Georg Lutz (Hauptpreis) und die 35-jährige Bremer Künstlerin Amina Brotz (Förderpreis) verliehen, die aus 449 Einreichungen ausgewählt worden waren. Der Hauptpreis ist mit 10.000 Euro dotiert, der Förderpreis mit 3.000 Euro.

Ein Filmbild aus Georg Lutz Film „The Fruits of our Land“.Georg Lutz
Landesbischof July zog in seinem Grußwort eine Verbindung zwischen dem Motto des Wettbewerbs und dem diakonischen Wirken der Kirche.Archivfoto: elk-wue.de / Gottfried Stoppel

In seinem Grußwort sagte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July: „In unserer vielfach verzweckten Welt transzendiert Kunst die vorfindliche Wirklichkeit. Sie gibt uns ein Gespür jener Welt dahinter. Jene andere Welt Gottes, in der wir Menschen und die ganze Schöpfung aufgehoben sind.“ Das Thema des 4. Kunstpreises ‚Kein Leben ohne und‘ formuliere, was in der Diakonischen Einrichtung Mariaberg täglich gelebt werde: „In der Diakonie wenden wir uns als Kirche Menschen zu: bedürftigen Menschen und denen, die helfen; Kranken und Gesunden, Menschen mit und ohne Behinderung. Gerade dieses ‚Und‘ treibt uns heute um. Durch den künstlerischen Ausdruck behaupten Menschen unter allen Umständen ihre Würde.“

Johannes Koch, Kunstbeauftragter der Landeskirche, berät unter anderem Kirchengemeinden in künstlerischen Fragen.
Johannes Koch, der Kunstbeauftragte der Landeskirche.privat

„Wo das ‚Und‘ des Lebens und Zusammenlebens auf schreckliche Weise vermisst wird“

Johannes Koch, Kunstbeauftragter der württembergischen Landeskirche, sagte in seiner Würdigung des Gewinnerbeitrags von Georg Lutz (Jahrgang 1987), dessen knapp18-minütiger Film „The Fruits of our Land“ zeige ohne zu moralisieren, „wo das ‚Und‘ des Lebens und Zusammenlebens auf schreckliche Weise vermisst wird, wird seine Unabdingbarkeit evident.“ Lutz besucht mit seiner Kamera Orte, die durch ein vorheriges schreckliches Geschehen im Kontext von Flucht und Vertreibung historisch aufgeladen sind – etwa Lesbos, Röszke an der Balkanroute und die Lager am Eurotunnel von Calais – und fotografiert nur die Orte, eventuell mit den Spuren des Geschehens. „Durch dieses intensive Hinschauenmüssen und die zuvor bereits eingeblendete Ortsbezeichnung stellt sich die Erinnerung an das Vergessene oder Verdrängte wieder ein. Und das Kopfkino generiert Bilder und Vorstellungen von etwas im Grunde Unvorstellbarem,“ so Koch weiter.

Georg Lutz erkundet mit seinen Arbeiten historisch aufgeladene Orte.Bild: privat

„Einen Diskurs zur Thematik Flucht außerhalb Europas schaffen“

Georg Lutz sagt über sein Werk, er habe die Themenstellung des Kunstpreises auf die fragwürdige Grundunterscheidung des Menschen zwischen einem „Wir“ und einem „Ihr“ bezogen. Diese Aufspaltung des Wertes menschlichen Lebens sei „auf tragische Weise während der sogenannten Flüchtlingskrise von 2015/16 deutlich sichtbar“ geworden. Auch wenn die Grenzen für die Menschen, die aus der Ukraine fliehen müssten, offen seien, „ertrinken nach wie vor Geflüchtete im Mittelmeer oder leben unter unmenschlichen Zuständen in eingezäunten Camps, vorwiegend auf den griechischen Inseln. Die Fluchtgründe sind teilweise deckungsgleich, doch endet die Solidarität und Hilfeleistung scheinbar an den Grenzen des europäischen Kontinents.“ Und über die Prämierung seines Werkes sagt Lutz, nach Corona-bedingtem Stillstand sei er froh, seine Arbeit wieder in einem interessanten Kontext zeigen zu können, in der Hoffnung, eine Sichtbarkeit und einen Diskurs zur Thematik Flucht außerhalb Europas zu schaffen, „die wir alle tragischerweise als nahezu normal empfinden.“

„Interjunction“ nimmt die Schnittstelle von Kunst und Alltag in den Fokus

Über die Performance „Interjunction“ der Förderpreisträgerin Amina Brotz (Jahrgang 1986) sagte Johannes Koch, die andauernde Wiederholung einer scheinbar alltäglichen handwerklichen Verrichtung nehme „die Schnittstelle von Kunst und Alltag in den Fokus. Kunst und Alltag – da ist das Und, das sich aber auch in den vielen sich überlagernden und immer wieder neu auftretenden Linieneinzeichnungen zeigt.“ In der Performance „Interjunction“ wird ein langer Holzbalken 23 Stunden lang immer und immer wieder durch die engen Flure und Treppenhäuser eines öffentlichen Gebäudes getragen. Auch in Mariaberg hat diese Performance stattgefunden.

Amina Brotz sagte in einer Stellungnahme, die Auszeichnung mit dem Förderpreis sei „eine wunderbare Anerkennung meiner künstlerischen Herangehensweise und Auseinandersetzung. In meinen konzeptuellen, prozesshaften und zeitbasierten Werken befrage ich meine Rolle als Künstlerin im Kunstsystem und damit in der Gesellschaft.“ Was auf den ersten Blick wie eine alltägliche Handlung wirke, lenke den Blick des Betrachters darüber hinaus auf die Grundbedingungen des künstlerischen Arbeitens. Das Thema „kein Leben ohne und“ sei somit in „Interjunction“ und in ihrem gesamten künstlerischen Schaffen elementar.

Über Mariaberg

Die diakonische Einrichtung Mariaberg beging ebenfalls am 8. Mai ihr 175-jähriges Bestehen. Zum Bildungsplan der geistig behinderten Bewohnerinnen und Bewohner gehörte von Anfang an auch „Bildhaftes Gestalten“. Eine Ausstellung im Kloster Mariaberg präsentiert in den folgenden vier Wochen weitere zwanzig von der Jury ausgewählte Einreichungen zum Kunstpreisthema.

Der landeskirchliche Kunst-Wettbewerb zu wechselnden Themen wird alle zwei Jahre von der landeskirchlichen „Stiftung Kirche und Kunst“ durchgeführt. Mehr Informationen finden Sie unter https://www.kirche-kunst.de/.

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