| Geistliches

„Wagen wir wieder einen Neuanfang“

Geistlicher Impuls zum 1. Advent von Rundfunkpfarrerin Barbara Wurz

Wieder gehen wir in eine Adventszeit unter Corona-Vorzeichen, wieder droht eine Zeit der Schließung, wo der Advent eigentlich Türen öffnen will. Eine Zeit der Freude und der Hoffnung verdunkelt sich und droht zu erstarren. Und doch können wir eine Perspektive für Vorfreude und Sehnsucht finden, meint Rundfunkpfarrerin Barbara Wurz in ihrem geistlichen Impuls zum 1. Advent.

Myriams-Fotos / Pixabay

Erster Advent - das neue Kirchenjahr beginnt. Ein Neuanfang. Allerdings - so eine trübe Stimmung habe ich am ersten Advent noch nie erlebt. Egal mit wem ich gerade spreche: Scheinbar freut sich niemand mehr auf irgendetwas - jedenfalls nicht aus vollem Herzen. Früher lag immer eine Art Aufbruchstimmung in der Luft: Advent, das waren Weihnachtsvorbereitungen, Einkaufen, Betriebsamkeit... Jetzt - durch Corona - ist alles irgendwie erstarrt. Selbst letztes Jahr war diese Schockstarre noch nicht ganz so schlimm. Da gab es allerdings auch noch die Hoffnung, dass alles wieder normal werden würde. Wir hatten noch ein Ziel: Nächstes Jahr an Weihnachten, die ganze Familie wieder beieinander

Und jetzt? Jetzt weiß wieder keiner, ob das was werden wird. Schockstarre - und kein neues Ziel in Sicht: Ich habe jedenfalls noch niemanden sagen hören: Weihnachten 2022 dann - die ganze Familie wieder beieinander.

Dafür ist mir ein anderer Satz eingefallen, und der klingt ganz ähnlich: Nächstes Jahr in Jerusalem. Dieser Satz kommt aus dem jüdischen Passa-Festes. Da kommen die Mitglieder jüdischer Familien zum Essen zusammen, und sie wünschen sich gegenseitig: Nächstes Jahr feiern wir in Jerusalem - dabei wissen sie genau, dass sie auch dann nicht in Jerusalem sein werden. Es geht nämlich gar nicht um das echte Jerusalem mit Häuser aus Stein, Beton und Rigips. Jerusalem - das ist ein Ideal, ein Sehnsuchtsort, ein Ort des Friedens: Jerusalem ist die Welt versöhnt mit sich selbst und versöhnt mit Gott.

Die Vorfreude auf diesen Sehnsuchtsort hat das Volk der Juden durch die schrecklichsten Zeiten getragen. Mit diesem Ziel vor Augen und haben sie ihre Hoffnung nicht verloren. Und wir Christen haben diese Hoffnung vom jüdischen Volk geerbt - das ist in der Bibel nachzulesen. Jesus Christus selbst verspricht, dass er wieder auf die Welt kommen wird. Dass es einen Neuanfang geben wird, ein himmlisches Jerusalem. Alle Menschen werden hier in Frieden zusammen leben. Es wird ein Leben sein ohne Leid und ohne Krankheiten. Und niemand muss alleine bleiben, auch nicht an Weihnachten.

Gottes Versprechen: er lässt uns nicht allein

Das ist Gottes Versprechen, am ersten Advent: Wir warten auf Weihnachten: Gott kommt auf die Welt und lässt uns nicht allein. Ein Kind wird geboren - was für ein schöner Neuanfang! Von Nah und Fern kommen die Menschen es besuchen - die Hirten vom Feld und die Weisen aus dem Morgenland - niemand muss alleine bleiben. Übrigens sind Maria und Joseph in meiner Vorstellung auch vor diesem Besuch nicht mutterseelenallein in der Nacht. Früher fand ich diese Vorstellung noch heimelig und romantisch - und so stellen es ja auch fast alle Weihnachtskrippen dar, denn in der Bibel heißt es: Sie legten das Kind in eine Futterkrippe, denn es gab sonst keinen Platz in der Herberge.

Dieses Jahr, im zweiten Corona-Advent, denke ich lieber an ein Gasthaus oder eine Herberge, wie sie früher auch bei uns zu finden waren: ein Haus, in dem alle zusammen unterkommen: Mensch und Vieh, Im Winter musste man schließlich zusehen, wie man sich warm hielt. Deshalb: Die Tiere mit ihrer Körperwärme unten, die Menschen einen Stock höher - aber alle unter einem Dach. Warum nicht auch bei Maria und Joseph in der Herberge? Oben, wo sonst die Menschen schlafen, war alles belegt, deshalb waren sie unten bei den Tieren - aber trotzdem nicht allein.

Gott mitten in einer Gemeinschaft

Zugegeben: die Vorstellung ist nicht sehr romantisch: nicht nur der Gestank der Tiere. Wer weiß, was für Leute da alle unter einem Dach zusammengewürfelt gewesen sein könnten? Sicher eine bunte Mischung: Leute mit und ohne Geld, Gauner und Ehrliche, Alte und Junge… Aber alle unter einem Dach - eine Gemeinschaft - und Gott mitten unter ihnen.

In Corona-Zeiten gefällt mir Vorstellung von Jesus in der Herberge. Ich hoffe sehr, dass sich niemand an Weihnachten einsam fühlen muss. Wir alle stecken mit dem Jesus-Kind unter einem Dach - so unterschiedlich wir auch sind. Einsam bleiben wir an Weihnachten nicht nur, wenn wir uns nicht besuchen kommen können. Auch der Streit in unserer Gesellschaft über Corona-Maßnahmen, Impfungen usw. macht uns einsam und trennt uns voneinander.

Alle diese Probleme sind nicht so einfach zu lösen. Aber Schockstarre und Aufgeben helfen auch nicht weiter. Geben wir also die Hoffnung nicht auf. Wagen wir wieder einen Neuanfang. Dieses Jahr in Betlehem - und nächstes Jahr, vielleicht, in Jerusalem.


Schon gewusst?

Grafik: elk-wue.de

Mehr News

  • Datum: 29.03.2024

    Karfreitag: Bruchstücke des Lebens

    „Ich kann die Gebrochenheit in meinem Leben zulassen, weil ich weiß, dass auch ich mit all meiner Bruchstückhaftigkeit, auch mit meinem Scheitern einfach in Gottes Liebe aufgehoben bin“, sagt Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl in diesem SWR-Gespräch über Karfreitag.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    „Leben ist ein unverfügbares Geschenk“

    In seiner Osterpredigt weist Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl auf die Heiligkeit des menschlichen Lebens hin und warnt vor gesellschaftlichen Risiken: „Eine Gesellschaft, die meint, sich selbst das Leben zu verdanken, verliert am Ende die Ehrfurcht vor dem Leben.“

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Osterbotschaft: „Sieg des Lebens“

    „Ostern ist der Sieg des Lebens über den Tod, der Sieg des Lichtes über die Dunkelheit“, sagt Landesbischof Gohl in seiner Osterbotschaft. Im Video nimmt er Sie mit auf den Birkenkopf bei Stuttgart, wo nach dem 2. Weltkrieg große Mengen Fassadentrümmer aufgeschüttet wurden.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Mit den Sinnen feiern: Ostern mit den Konfis

    Ostern ist kein einfaches Fest. Wie man dieses zentrale Fest der Christenheit Konfirmanden und Konfirmandinnen nahebringt, davon erzählen Pfarrer Friedemann Bauschert (Stephanuskirche Tübingen) und Pfarrer Martin Trugenberger, Dozent für Konfirmandenarbeit am ptz.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Spenden für humanitäre Hilfe im Nahen Osten

    Nach den Angriffen der Hamas auf die israelische Bevölkerung ist die humanitäre Lage der Menschen in den betroffenen Gebieten dramatisch. Medikamente, Wasser und Lebensmittel fehlen. Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende der Diakonie Württemberg, bittet um Hilfe.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Perspektiven für christlich-islamischen Dialog

    Dr. Friedmann Eißler, Islambeauftragter der Landeskirche, erklärt in einer aktuellen Stellungnahme, was den interreligiösen Dialog gegenwärtig so komplex macht.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.03.2024

    ACK-Broschüre über Nachhaltigkeit

    Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg fordert in den „Schöpfungs-Leitlinien“ nachhaltige Lebensbedingungen für die ganze Welt. Die erstmals 2002 herausgegebene Broschüre ist nun in einer überarbeiteten Neuauflage erhältlich.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    beraten & beschlossen Frühjahrssynode 2024

    Videos, Bilder, Berichte - unser digitales Synoden-Magazin gibt multimedial Einblick in die Frühjahrstagung der Landessynode am 15. und 16. März. Und um keine Ausgabe zu verpassen, können Sie sich hier für unseren „beraten & beschlossen“ Newsletter registrieren.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    Prälatur-Gottesdienste in der Karwoche und zu Ostern

    Die Regionalbischöfinnen und Regionalbischöfe der Landeskirche feiern an Gründonnerstag, Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag Gottesdienste in ihrer Prälatur. Hier finden Sie die Terminübersicht.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    FAQ zu Ostern: Auferstehung für Zweifelnde

    Ohne Auferstehung gäbe es kein Ostern. Doch woran glauben Christinnen und Christen da eigentlich, und was ist, wenn einem dieser Glaube schwerfällt? Was sagt die Bibel dazu? Pfarrer Dan Peter, Sprecher der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, gibt Antworten.

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.03.2024

    Dr. Fabian Peters wird Dezernent für Finanzmanagement & Informationstechnologie

    Dr. Fabian Peters leitet künftig das Dezernat für Finanzmanagement und Informationstechnologie im Stuttgarter Oberkirchenrat. Der Landeskirchenausschuss hat ihn am Donnerstag, 21. März, in dieses Amt gewählt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.03.2024

    Der Passion und Auferstehung Jesu nachgehen

    Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern sind Höhepunkte im Kirchenjahr. Evangelische Kirchengemeinden und Einrichtungen erinnern mit Ostergärten und -wegen an Jesu Leiden, Tod und Auferstehung.

    Mehr erfahren
Mehr laden