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Der lange Weg eines Sparbuchs

Wie ein badischer Pfarrer einer schwäbischen Pfarrfrau zu ihrem Eigentum verhilft

Der badische Pfarrer Volker Wahlenmeier findet in einem alten Buch ein altes Sparbuch, macht sich auf die Suche nach der Besitzerin und findet sie per Youtube-Aufruf: Doris Söhner, eine hochverdiente Ehrenamtliche aus Stuttgart. Diese Geschichte eines Büchleins und seiner Suche hat Volker Wahlenmeier in drei Youtube-Videos dokumentiert. 

In einer alten Lutherbiographie fand der badische Pfarrer Volker Wahlenmeier Doris Söhners Sparbuch aus dem Jahr 1963.
In einer alten Lutherbiographie fand der badische Pfarrer Volker Wahlenmeier Doris Söhners Sparbuch aus dem Jahr 1963.Volker Wahlenmeier

„Bücher sind Schiffe, welche die weiten Meere der Zeit durcheilen.“ (Francis Bacon). Genau so ein altes Buch ist dem badischen Pfarrer Volker Wahlenmeier von der Evangelischen Kirchengemeinde Aglasterhausen in die Hände gefallen und mit ihm ein wahrer Schatz.

Pfarrer Volker Wahlenmeier hat, wie jeder andere Pfarrer auch, eine Unmenge an Büchern in seiner Pfarrstube in Aglasterhausen (Neckar-Odenwald-Kreis) stehen. Bereits als Theologiestudent in Tübingen sammelte er diese Bücher von scheidenden Dozentinnen und Dozenten, später von Pfarrkollegen und -kolleginnen zusammen, bekam hier und da weitere Werke dazu geschenkt und wurde in diversen Bücher-Grabbel-Kisten an der Uni fündig. Das ganze bunte Sammelsurium an Büchern zog mit ihm nach seinem Studium in Tübingen ins Vikariat nach Tauberbischofsheim um und von dort ins Pfarrhaus nach Aglasterhausen.

Mit Beginn der Corona-Pandemie kamen auch im Badischen die Schließung der Gemeindebüros und die Einstellung der Sonntagsgottesdienste und so hatte Pfarrer Wahlenmeier Zeit. Zeit, um mal sein Bücherregal zu sortieren, auszumisten, umzuräumen. Doch weit kam er damit nicht, denn beim Durchblättern eines dieser alten Bücher mit dem Titel „Luther und das Luthertum“ fiel ihm etwas Rotes in die Hand, mit dem er so nicht gerechnet hätte: ein Sparbuch der Sparkasse Heidelberg-Handschuhsheim - letzte Buchung 1963 - Guthaben 500 DM - ausgestellt auf ein Fräulein Doris Stecher. „Nach Adam Riese wären das mit Zins und Zinseszins heute umgerechnet rund 1377 Euro! Doch wer ist Doris und wo steckt sie?“, fragte sich Pfarrer Wahlenmeier.

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Mit Hilfe seines Youtube-Kanals „Pfarrer Wahlenmeier“ hat er sich auf die Suche nach Fräulein Doris, der Inhaberin des Sparkassen-Sparbüchleins, gemacht und hat sie tatsächlich gefunden. Mit Hilfe seines Youtube-Videos und dem damit verbundenen Aufruf „Doris, bitte melde dich“. Dann hörte das Telefon im Pfarramt Aglasterhausen nicht mehr auf zu klingeln.

Letztlich war es der Kontakt über den Großvater eines Konfirmanden, der den Pfarrer aus Aglasterhausen auf die richtige Spur brachte: Fräulein Doris Stecher, aufgewachsen in Heidelberg, studierte dort auf Grund- und Hauptschullehramt und lernte dabei ihren späteren Mann, einen angehenden Pfarrer, kennen, mit dem sie von Heidelberg aus nach Marbach zum Vikariat und dann weiter auf Pfarrstellen in Schwenningen, Untergruppenbach und Stuttgart zog, wo sie heute nach dem Tod ihres Mannes wieder wohnhaft ist.

Ein Anruf beim Dekan in Marbach - dem ersten Ortswechsel nach Heidelberg - und Fräulein Doris ward gefunden! Bei seinem ersten Telefonat mit der wahren Besitzerin des roten Sparbüchleins ging selbst dem Pfarrer „ordentlich die Pumpe“.

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Nach 57 Jahren bekommt Doris Söhner ihr verlorengegangenes Sparbuch vom ehrlichen Finder Pfarrer Volker Wahlenmeier zurück.

Und Doris kann sich freuen, denn zu ihrem 82. Geburtstag überbrachte ihr Pfarrer Volker Wahlenmeier nicht nur die besten Glück- und Segenswünsche, sondern er fuhr vom badischen Aglasterhausen in die Landeshauptstadt Stuttgart; mit im Gepäck das Sparkassen-Sparbuch mit einem Guthaben von 500 DM. Wie es in das alte Buch aus dem Besitz von Pfarrer Wahlenmeier gekommen ist, daran konnte sich die Pfarrwitwe selbst nicht mehr so genau erinnern. Aber vermutlich muss es so gewesen sein, dass sie sich damals als junge Studentin in Heidelberg auf eine Abschlussprüfung im Fach Religion mit dem Buch „Luther und das Luthertum“ vorbereitete und das rote Sparbüchlein als Lesezeichen herhalten musste. Nach Beendigung ihres Studiums zog Doris zu ihrem Mann Hermann nach Marbach, der dort im Vikariat war, und das Luther-Buch wechselte irgendwie und irgendwann den Besitzer. 

Vermisst hat Doris das Sparbuch wohl nie, es aber auf diese Weise höchst persönlich vom Pfarrer von Aglasterhausen wiederzubekommen, hat die 82-Jährige besonders gefreut, denn dort war die einstige Lehrerin mal im Schulpraktikum. Und so schließt sich der Kreis.

Doris Söhner ist keine Unbekannte

Doch halt, noch nicht ganz, denn hinter dem ehemaligen Fräulein Doris Stecher verbringt sich die heutige Doris Söhner, eine erfahrene Diasporaexpertin in Württemberg. „Diaspora zum Anfassen", das war ihr Motto, unter dem sie bereits 1980 begann, sich für christliche Minderheiten zu interessieren. Dadurch wurde das Gustav-Adolf-Werk Württemberg (GAW Württemberg) auf sie aufmerksam, in dessen Vorstand sie von 1981 bis 1996 tätig war sowie von 1988 bis 1994 im Vorstand des GAW Deutschland. Sie organisierte insgesamt 62 Reisen in GAW-Partnerländer wie Rumänien, Tschechoslowakei, Ungarn, Polen, Russland sowie in weitere Länder entlang der Donau. Und auch mit ihren Ostereierausstellungen ist sie in zwanzig Jahren viel herumgekommen und hat viel Geld eingesammelt. Der Erlös dieser osteuropäischen Brauchtums-Eier kam den dortigen Partnerkirchen zugute.

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Für die Gesamtkirchengemeinde Stuttgart hat sie die Verbindungen zur St. Georgs Gemeinde ins russische Samara gestrickt. Außerdem rief sie in Stuttgart die Grünen Damen ins Leben (1982), organisierte den Stuttgarter Kirchentag 1999 mit und engagierte sich in der Gemeindearbeit, dem Pfarrfrauenverband sowie für Pfarrwitwen.

Für all diese Arbeit und ihr jahrelanges Engagement wurde Doris Söhner mit dem Bundesverdienstkreuz (1997), dem Bernsteinkreuz des GAW Deutschland (2007), dem Kronenkreuz der Diakonie (2000), der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg (2010) sowie mit der Brenzmedaille der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (2014) ausgezeichnet.

Von Dagmar Hempel

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