| Landeskirche

Das pure Leben

Rüdiger Albrecht ist Vorsitzender Richter des Kirchlichen Verwaltungsgerichts

„Im Verwaltungsrecht ist das Leben pur abgebildet, freilich übersetzt in die Sprache rechtlicher Regeln.“ Das sagt Dr. Rüdiger Albrecht. Er ist Vorsitzender Richter des Kirchlichen Verwaltungsgerichts der Landeskirche im Ehrenamt. Stephan Braun hat mit ihm gesprochen.

Dr. Rüdiger Albrecht, Vorsitzender Richter des Kirchlichen VerwaltungsgerichtsSchmitt/EMH

Herr Albrecht, Sie sind im Ehrenamt Vorsitzender Richter des Kirchlichen Verwaltungsgerichts der württembergischen Landeskirche. Was reizt Sie an dieser Aufgabe? Allein der Name Verwaltung riecht förmlich nach verstaubten Aktendeckeln.
Verstaubt ist unsere Tätigkeit nun gewiss nicht. Im Verwaltungsrecht ist das Leben pur abgebildet, freilich übersetzt in die Sprache rechtlicher Regeln. Deren Auslegung und Anwendung ist ein immer wieder spannendes Thema, besonders  wenn es um Rechtsfragen geht, die sich für das Gericht bisher nicht gestellt haben. Gerade im Bereich des kirchlichen Verwaltungsrechts kommt dies häufig vor, zum Beispiel  wenn es Rechtsgrundsätze im staatlichen Recht gibt, zu denen es im kirchlichen Recht keine Regelung gibt und sich die Frage stellt, ob diese Rechtsgrundsätze für den kirchlichen Bereich übernommen werden können.  So ist gibt es beispielsweise keine kirchlichen Grundrechte. Beruft sich ein Kläger auf eine Grundrechtsverletzung durch kirchliche Behörden, so stellt sich das Problem, ob auch diese Behörden die staatlichen Grundrechte beachten müssen und inwieweit man auf die im staatlichen Bereich entwickelte Grundrechtsdogmatik zurückgreifen kann, um dieses Problem zu lösen. Dadurch ist unsere gerichtliche Tätigkeit recht vielfältig.  Ein gutes Gefühl ist es, wenn es gelingt, unterschiedliche rechtliche Interessen zusammenzubringen und ein Verfahren einvernehmlich und ohne Urteil zu beenden. So haben sich einzelne Verfahren auch durch Vergleich oder Klagerücknahme erledigt.

Wie oft tagt denn das kirchliche Verwaltungsgericht und was für Fälle werden da behandelt?
Da unsere Eingangs- und Verfahrenszahlen schwanken, ist dies von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Im Jahr 2018 hatten wir schon zwei mündliche Verhandlungen. Voraussichtlich werden nochmals zwei hinzukommen. In der Mehrzahl der in den Vorjahren verhandelten Fälle ging es um dienstrechtliche Fragen, etwa Stellenbesetzung und -bewertung, Ruhestandsregelungen oder Dienstwohnungsausgleich. Später haben wir uns auch mit Problemen des Datenschutzes im kirchlichen Bereich beschäftigt sowie mit der Frage, inwieweit sich Kirchengemeinden an einem privatrechtlichen Unternehmen wirtschaftlich beteiligen dürfen.


Dr. Rüdiger Albrecht (51 Jahre) ist Vorsitzender Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und seit 2017 ehrenamtlich Vorsitzender des Verwaltungsgerichts der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Dazu hat ihn die Landessynode gewählt. Die Amtszeit endet im Jahr 2021.


Täusche ich mich sehr, wenn ich sage, es gibt nicht viele Gerichtsbarkeiten neben oder außerhalb der staatlichen Justiz? Der Sport fällt mir ein, die Kirchen, die im gescheiterten Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP vorgesehenen internationalen, nicht-staatlichen Schiedsgerichte waren sehr umstritten, islamische Schiedsgerichte sind das ohnehin. Wo verläuft denn die Trennlinie zwischen legitimer und illegitimer außerstaatlicher Gerichtsbarkeit?
Das ist ein weites Feld. Auf den Punkt gebracht würde ich sagen, dass die Trennlinie entlang der Frage der Freiwilligkeit verläuft. Dem staatlichen Recht und den staatlichen Gerichten kann sich letztlich niemand entziehen. Die außerstaatliche Gerichtsbarkeit hingegen zieht ihre Legitimation daraus, dass ich mich ihr freiwillig unterwerfe und diese Unterwerfung auch aufkündigen kann, etwa durch Austritt aus dem Sportverband oder aus der Kirche. Problematisch wird es dann, wenn die Möglichkeit der Aufkündigung nur noch auf dem Papier steht und praktisch leer läuft.

Wie begründet sich das eigene kirchliche Verwaltungsrecht?
Das Grundgesetz garantiert den Kirchen Selbstverwaltung mit der Konsequenz, dass sie für ihren eigenen Bereich auch eigenes Recht setzen können. Die staatlichen Verwaltungsgerichte müssen das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen ebenfalls achten und können innerkirchliche Rechtsakte daher nicht oder nur eingeschränkt überprüfen. Ohne kirchliche Gerichtsbarkeit gäbe es in Bezug auf diese innerkirchlichen Rechtsakte keinen Rechtsschutz. Es ist unsere Aufgabe, diesen Rechtsschutz innerhalb der Grenzen unserer Prozessordnung zu gewähren.

Was wünschen Sie sich für Ihre Amtszeit?
Ich habe in den vergangenen Jahren festgestellt, dass die Verfahren am kirchlichen Verwaltungsgericht bei aller streitigen Auseinandersetzung sowohl von Seiten unserer Kläger als auch von Seiten der beteiligten kirchlichen Behörden in einem versöhnlichen Geist geführt werden. Ausnahmen gibt es natürlich, sie beseitigen aber nicht die Regel. Ich wünsche mir, dass dies so bleibt und auch das kirchliche Verwaltungsgericht das Seine dazu beitragen kann – mit Gottes Hilfe.

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