| Geistliches

"Gott hat uns verbunden"

Rundfunkpfarrerin Dr. Lucie PanzerEMH

„Ich bin nicht verantwortlich dafür, dass sie sich in anderen Ländern gegenseitig die Köpfe wegschießen“. Das hat mir eine junge Schülerin gesagt, 18 vielleicht oder 20. „Ich bin nicht verantwortlich. Deshalb fühle ich mich auch nicht verantwortlich für die vielen Flüchtlinge die hierher kommen. Da sollen sich mal schön die kümmern, die für deren Elend verantwortlich sind.“
So ist sie raus aus dieser Sache, fand sie. Nicht verantwortlich und nicht zuständig.

Heute denke ich an eine andere junge Frau, nicht viel älter als diese Stuttgarter Schülerin. Wenn die nun auch so gedacht hätte? Ich meine Elisabeth von Thüringen, am 17. November 1231 ist sie mit 24 Jahren gestorben. Man erzählt heute noch von ihr, weil sie eben nicht gesagt hat: Dafür bin ich nicht verantwortlich. Elisabeth ist als Prinzessin auf der Wartburg bei Eisenach erzogen worden. Dort hat sie das Elend der Menschen in ihrem Land gesehen. Den Hunger. Krankheiten und Armut. Und niemand fühlte sich verantwortlich. Elisabeth aber schon. Sie hatte das Elend nicht verursacht. Aber sie war im christlichen Glauben erzogen worden und nahm das ernst. Deshalb kümmerte sie sich um die Armen, gab Korn aus und unterstützte sie mit Geld aus ihrem Vermögen. Sie pflegte persönlich Kranke und Sterbende.

Warum sie das getan hat, macht vielleicht eine Geschichte klar, die über sie erzählt wird. Einen obdachlosen Mann mit einer schlimmen Hautkrankheit hat sie auf ihre Burg gebracht um ihn zu pflegen. Ihr Hofstaat war empört. Wer weiß, was dieser Fremde ihnen da für Krankheiten und Umstände einschleppen würde? Sie wollten ihn aus dem Bett zerren. Da lag in dem Bett ein Bild des gekreuzigten Christus.

Die Leute, die diese Geschichte später so erzählt haben, haben wohl verstanden, warum Elisabeth sich für den Kranken verantwortlich gefühlt hat. Denn Jesus Christus hatte ja gesagt: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan!“ Jesus hat die Armen und die Fremden als seine Brüder und Schwestern bezeichnet.

Und mein Bruder ist er auch. Er hat mich doch gelehrt, zu unserem gemeinsamen Vater „Vater unser“ zu sagen.

Gott selbst hat uns Menschen zu Schwestern und Brüdern gemacht. Wenn ich jemanden brauche, dann vertraue ich darauf, dass meine Brüder und Schwestern helfen werden. Und ich finde: Genauso bin ich verantwortlich für die Brüder und Schwestern, mit denen ich nicht verwandt bin. Nicht weil ich ihr Elend verschuldet hätte. Aber weil Gott uns verbunden hat.

Man kann das auch anders sehen: So wie jene junge Frau, die sagt: Ich bin nicht verantwortlich. Aber ich meine, Christen, die das Vaterunser beten – die können das eigentlich nicht.

Pfarrerin Dr. Lucie Panzer

Dieser Beitrag lief ursprünglich als "Morgengedanke" auf SWR 4 am 17. November 2015.

Mehr News

  • Datum: 19.04.2024

    „Konfirmanden ist Glaube wichtiger als Geschenke“

    Frontalunterricht gibt es kaum noch im Konfi-Unterricht, sagt Prof. Dr. Wolfgang Ilg von der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg im Interview. Die Konfi-Arbeit sei nach wie vor das Angebot mit der größten Reichweite in der Evangelischen Kirche.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    „Kirche mit Kindern“ ist einfach lebendig

    Vom Kindergottesdienst zu einer Kirche für die ganze Familie: Lebendiger und spannender Gottesdienst mit neuen Herausforderungen. Wir haben Sabine Foth gefragt, wie sich die Kirche mit Kindern zu einer Familienkirche gewandelt hat und was ihr an der Arbeit besonders gefällt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    Video: Multitalent mit Down-Syndrom

    Tamara Röske hat viele Talente: Schauspielern, Modeln und Leichtathletik – trotz Handicap. Die 28-Jährige hat das Down-Syndrom. Wie bringt sie alles unter einen Hut? Darüber spricht sie zusammen mit ihrer Mutter Antje mit „Alpha & Omega“-Moderatorin Heidrun Lieb.

    Mehr erfahren
  • Datum: 17.04.2024

    „Der Segen Gottes gilt uns allen“

    Mit einem Gottesdienst in der Klosterkirche Mariaberg bei Gammertingen hat am 13. April die ökumenische Woche für das Leben begonnen. Sie stellt unter dem Motto die Lebenswirklichkeiten Jugendlicher und junger Erwachsener mit Behinderungen in den Mittelpunkt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Innovationstag: Jetzt anmelden!

    Frische Ideen fürs Gemeindeleben: Unter dem Motto „#gemeindebegeistert – Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ veranstaltet die Landeskirche am 4. Mai einen großen Innovationstag. In Projektpräsentationen und Workshops gibt’s Austausch und Tipps. Jetzt anmelden

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Segen, Mut & Traubenzucker

    In diesen Wochen stehen an vielen Schulen Abschlussprüfungen an - für Schülerinnen und Schüler eine stressige Zeit. Die Ev. Jugendkirche Stuttgart macht mit einem speziellen PrüfungsSegen Mut und stellt auch anderen Gemeinden Materialien zur Verfügung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Digitaler Notfallkoffer für die Seele

    Hilfe in persönlichen Krisenmomenten bietet die KrisenKompass-App der Telefonseelsorge fürs Handy und Tablet. Sie bietet Unterstützung, um schnell wieder auf positive Gedanken zu kommen oder bei Bedarf rasch professionelle Hilfe finden zu können.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Zum 200. Todestag von Beata Regina Hahn

    Vor 200 Jahren starb Beata Regina Hahn, die zweite Ehefrau des Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn, Tochter von Johann Friedrich Flattich und Mutter der Schulgründerin Beate Paulus. Als Herausgeberin von Hahns Schriften prägte sie dessen Bild für viele Jahre.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    „Wir beten, dass die zerstörende Gewalt ein Ende nimmt“

    Die Landeskirchen in Württemberg und Baden haben den Jüdinnen und Juden im Land Grüße zum Pessach-Fest übersandt. Darin nehmen Landesbischof Gohl und Landesbischöfin Springhart Bezug auf den Angriff der Hamas wie auch auf den Raketenangriff des Iran auf Israel.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    Hoffnung wird durch Menschen vermittelt

    Bei einer religionspolitischen Tagung der SPD-Bundestagsfraktion am 12. April in Berlin unter dem Titel „Mehr Zuversicht! Mit Hoffnung die Zeiten wenden“ betonte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, wer die Verwurzelung in Jesus Christus spüre, werde für andere zur Hoffnung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 13.04.2024

    Landesbischof Gohl: "Wir stehen an der Seite Israels"

    "Der Angriff des Iran bedroht die Existenz Israels. Wir müssen daran erinnern, dass alles mit dem Pogrom der Hamas an Israel begann." Gohl weist weiterhin auf die israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas hin.

    Mehr erfahren
  • Datum: 12.04.2024

    Klassik und Pop Hand in Hand

    Die Evangelische Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen hat schon früh einen Studiengang für populare Kirchenmusik eingerichtet und war damit in der EKD Vorreiter. Prof. Thomas J. Mandl und Prof. Patrick Bebelaar erklären, was das Besondere an der HKM ist.

    Mehr erfahren
Mehr laden