| Digitalisierung

Wie reagiert Kirche auf Digitalisierung?

Strategien für den Umgang mit einem Megatrend

Mit den Herausforderungen der Digitalisierung beschäftigt sich in unserer Landeskirche eine Arbeitsgruppe – bis Ende des Jahres wird sie gemeinsam mit Experten eine digitale „Road Map“ entwickeln. Auf dem Weg dahin schreiben Mitglieder dieser Arbeitsgruppe in unserem Blog über ihre Sicht auf Kirche und Digitalisierung. In diesem Beitrag: Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup, in dessen Zuständigkeit die IT in der Landeskirche liegt.

Dr. Martin KastrupEMH/Gottfried Stoppel

Digitalisierung ist in aller Munde und tritt laufend mit Fachbegriffen und Entwicklungen wie Social Media, Blogs, Big Data, FinTechs, Internet der Dinge, Industrie 4.0, Artificial Intelligence etc. in Erscheinung. Die Durchdringung der Lebenswelt ist so weitgehend, dass auch Kirche auf diese sehr entscheidende Rahmenbedingung reagieren musste. Gegenwärtig beobachte ich vier grundsätzliche Strategien, die sich in unterschiedlichem Ausmaß auf diesen Megatrend einlassen:

Kirche als Gegenwelt

Liegt die Chance des Glaubens und der Kirche in einer Positionierung gegen die digitale Welt? Wird sie Anker und Gegenpol für Menschen, wenn sie sich in der virtuellen, übermedialisierten Welt überfordert oder verlassen fühlen? Kirche würde dann die Gefahren und Schattenseiten des Internets betonen. Kirche stünde für menschliche Ansprache und Sozialkontakte in der Realität (First Life) oder reale Hilfe ebenso wie für die Vermittlung von Werten wie Zugewandtheit und Nächstenliebe. Sie stünde auch für die Förderung von Kreativität, Toleranz und Geistesgegenwart als Gegenmodell zu algorithmisiertem Denken (in Jugendfreizeiten, Religionsunterricht oder Sozialprojekten wie Vesperkirche etc.). Die Gefahr, sich nur als Gegenwelt zu positionieren, liegt darin, dass man „digital geprägte“ Menschen möglicherweise nicht mehr versteht und von ihnen auch nicht mehr verstanden wird. Man wird als Kirche in den Bereich der Randgruppen abgedrängt.

Stärkung im Umgang mit der digitalen Welt

Die digitale Welt wird als gegeben hingenommen, aber Kirche steht dafür, dass man nicht wehrlos ausgeliefert ist. Sie gibt zum Beispiel Anleitung zur Auseinandersetzung mit „Ballerspielen“, Sozialen Netzwerken und Online-Angeboten (in Jugendfreizeiten, Konfirmandenunterricht, Religionsunterricht). Kirche würde auch das Reflexionsvermögen fördern (in Erwachsenenbildung, Akademiearbeit: Was geschieht, wenn wir routiniert auf (fremde) Erfahrungen zurückgreifen, ohne über sie nachzudenken? Welche Informationen sind wichtig, welche sind Datenmüll?  Schließlich bedarf es auch der Förderung von Selbstdisziplin und -organisation bei der Informationsbewältigung, um die Vielfalt der Reize aus der digitalen Welt abzuwehren (WLAN-freie Schutzzonen, technikfreie Veranstaltungen).

Wir als fleischliche Wesen sind mehr als die Summe unserer Daten und Datenspuren.

Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup

Breite Medienpräsenz

Bereits Paulus (griechische Sprache) und Martin Luther (deutsche Bibelübersetzung, Buchdruck) haben die Chancen neuer Kommunikationsformen und Medien genutzt. Analog kommt der kontrollierten Nutzung neuer Medien auch heute eine hohe Bedeutung zu, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Neue Medien werden als kulturelle Herausforderung angenommen. Als Kirche würde man sich in Teilen im digitalen System bewegen und es für eigene Zwecke nutzen. Damit nimmt man einen gewissen Kontrollverlust hin. Auf der anderen Seite wäre aber auch die Dualität zwischen real und digital zu betonen. Die Botschaft ist: Wir als fleischliche Wesen sind mehr als die Summe unserer Daten und Datenspuren. Es gibt ein analoges Leben über das Digitale hinaus.

Nutzung neuer Chancen

Kirche würde kostenlose Kommunikations- statt nur Informationsangebote bieten. Dies bedeutet, dass (viele) Menschen mit erheblichem Aufwand wie bei der Telefonseelsorge zur Verfügung stehen, um intelligente Kommunikationsstrategien umzusetzen. Die Anforderungen sind hoch: witzig, geistreich, kurz muss es zugehen. Gegebenenfalls braucht es gelungene auffällige „Teaser“, die Menschen über den Erstkontakt zu weiterem „Drilldown“ veranlassen. Aber es geht noch weiter: Durch neue Technologien lassen sich Möglichkeiten der interkulturellen Kommunikation unter Einschaltung von Übersetzerprogrammen schaffen, die die Ökumene befördern. Oder es lässt sich die Ausgrenzung Behinderter oder alter Menschen durch eine digitale Anbindung reduzieren. Ebenso kann der Kontakt zwischen  weniger werdenden Pfarrerinnen und Pfarrern und ihren schwindenden, geografisch zerstreuten Mitgliedern erleichtert werden.

Vielleicht sind Ihnen weitere Strategien aufgefallen, wie Kirche mit dem Thema Digitalisierung umgeht. Die Frage ist, ob diese Formen der Reaktion auf Digitalisierung ausreichen oder ob wir als Kirche noch einen Schritt weiter gehen müssen – „proaktiv handeln“, wie man so schön sagt.

Die AG Digitalisierung freut sich auf Ihre Einschätzung! Schreiben Sie uns ein paar Zeilen an digi@elk-wue.de


Mehr News

  • Datum: 29.03.2024

    Karfreitag: Bruchstücke des Lebens

    „Ich kann die Gebrochenheit in meinem Leben zulassen, weil ich weiß, dass auch ich mit all meiner Bruchstückhaftigkeit, auch mit meinem Scheitern einfach in Gottes Liebe aufgehoben bin“, sagt Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl in diesem SWR-Gespräch über Karfreitag.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    „Leben ist ein unverfügbares Geschenk“

    In seiner Osterpredigt weist Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl auf die Heiligkeit des menschlichen Lebens hin und warnt vor gesellschaftlichen Risiken: „Eine Gesellschaft, die meint, sich selbst das Leben zu verdanken, verliert am Ende die Ehrfurcht vor dem Leben.“

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Osterbotschaft: „Sieg des Lebens“

    „Ostern ist der Sieg des Lebens über den Tod, der Sieg des Lichtes über die Dunkelheit“, sagt Landesbischof Gohl in seiner Osterbotschaft. Im Video nimmt er Sie mit auf den Birkenkopf bei Stuttgart, wo nach dem 2. Weltkrieg große Mengen Fassadentrümmer aufgeschüttet wurden.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Mit den Sinnen feiern: Ostern mit den Konfis

    Ostern ist kein einfaches Fest. Wie man dieses zentrale Fest der Christenheit Konfirmanden und Konfirmandinnen nahebringt, davon erzählen Pfarrer Friedemann Bauschert (Stephanuskirche Tübingen) und Pfarrer Martin Trugenberger, Dozent für Konfirmandenarbeit am ptz.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Spenden für humanitäre Hilfe im Nahen Osten

    Nach den Angriffen der Hamas auf die israelische Bevölkerung ist die humanitäre Lage der Menschen in den betroffenen Gebieten dramatisch. Medikamente, Wasser und Lebensmittel fehlen. Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende der Diakonie Württemberg, bittet um Hilfe.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Perspektiven für christlich-islamischen Dialog

    Dr. Friedmann Eißler, Islambeauftragter der Landeskirche, erklärt in einer aktuellen Stellungnahme, was den interreligiösen Dialog gegenwärtig so komplex macht.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.03.2024

    ACK-Broschüre über Nachhaltigkeit

    Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg fordert in den „Schöpfungs-Leitlinien“ nachhaltige Lebensbedingungen für die ganze Welt. Die erstmals 2002 herausgegebene Broschüre ist nun in einer überarbeiteten Neuauflage erhältlich.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    beraten & beschlossen Frühjahrssynode 2024

    Videos, Bilder, Berichte - unser digitales Synoden-Magazin gibt multimedial Einblick in die Frühjahrstagung der Landessynode am 15. und 16. März. Und um keine Ausgabe zu verpassen, können Sie sich hier für unseren „beraten & beschlossen“ Newsletter registrieren.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    Prälatur-Gottesdienste in der Karwoche und zu Ostern

    Die Regionalbischöfinnen und Regionalbischöfe der Landeskirche feiern an Gründonnerstag, Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag Gottesdienste in ihrer Prälatur. Hier finden Sie die Terminübersicht.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    FAQ zu Ostern: Auferstehung für Zweifelnde

    Ohne Auferstehung gäbe es kein Ostern. Doch woran glauben Christinnen und Christen da eigentlich, und was ist, wenn einem dieser Glaube schwerfällt? Was sagt die Bibel dazu? Pfarrer Dan Peter, Sprecher der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, gibt Antworten.

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.03.2024

    Dr. Fabian Peters wird Dezernent für Finanzmanagement & Informationstechnologie

    Dr. Fabian Peters leitet künftig das Dezernat für Finanzmanagement und Informationstechnologie im Stuttgarter Oberkirchenrat. Der Landeskirchenausschuss hat ihn am Donnerstag, 21. März, in dieses Amt gewählt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.03.2024

    Der Passion und Auferstehung Jesu nachgehen

    Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern sind Höhepunkte im Kirchenjahr. Evangelische Kirchengemeinden und Einrichtungen erinnern mit Ostergärten und -wegen an Jesu Leiden, Tod und Auferstehung.

    Mehr erfahren
Mehr laden