| EKD

"Jeden Sonntag Gottesdienst sind wir nicht gewohnt"

Wie Württemberg in einem ostdeutschen Dorf das Leben beflügelt

Garrey liegt mitten im Nirgendwo im Südwesten Brandenburgs. Die geteerten Straßen auf dem Weg in das 84-Einwohner-Dorf sind so schmal, dass man bei Gegenverkehr aufs Grün ausweichen muss. Handyempfang ist hier Glückssache. Mehrere landwirtschaftliche Betriebe siedeln am Ort - und in der Mitte steht die alte Feldsteinkirche. Das entlegene Nest, 24 Kilometer von der Lutherstadt Wittenberg entfernt, ist zu einem Partnerdorf für die Evangelische Landeskirche in Württemberg geworden.

screenshot Kirchenfernsehen/EMH

Und das kam so: Die Württemberger betreiben während der Weltausstellung zum Reformationsjubiläum in Wittenberg eine eigene Halle. Organisator Jürgen Kaiser, Geschäftsführer des Evangelischen Medienhauses in Stuttgart, suchte für das wechselnde Team eine bezahlbare Bleibe in erreichbarer Nähe. Er bekam den Tipp, es mal in Garrey zu versuchen. Als er das Dorf und die historische Pension "Zum weißen Raben" entdeckte, fackelte Kaiser nicht lange: Er buchte das kleine Gasthaus mit seinen vier Zimmern gleich für die ganzen fünf Monate der Weltausstellung.

Die protestantische Verbundenheit mit der Gemeinde, die zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) gehört, reicht inzwischen tiefer. So organisieren die Württemberger Gäste jeden Sonntag einen Gottesdienst in dem historischen Kirchlein, das wegen einer Sanierung fünf Jahre lang geschlossen war und erst im Mai wieder fürs Gemeindeleben geöffnet wurde. Für Pfarrer Daniel Geißler bedeutet das Engagement der Schwaben eine große Entlastung. Der Theologe, der für zehn Predigtstätten zuständig ist, kann in der Regel nur ein Mal im Monat in Garrey predigen.

Dass das Geld im Ort knapp ist, zeigte sich dann auch bei den Gesangbüchern. Deshalb willigte der Gemeindekirchenrat gerne ein, als Jürgen Kaiser eine Spende von 80 württembergischen Exemplaren anbot. So liegen die dicken blauen Bücher nun nicht nur in evangelischen Gemeinden zwischen Friedrichshafen und Bad Mergentheim, sondern auch in Garrey im südwestlichen Zipfel Brandenburgs.

Lutz Wieland, stellvertretender Vorsitzender des Gemeindekirchenrats, ist von der württembergischen Präsenz in Garrey begeistert. Die Menschen aus den neuen und den alten Bundesländern seien einander in den vergangenen Wochen nähergekommen, hätten ihre Geschichten erzählen können. Wieland, auch Chef der Freiwilligen Feuerwehr, räumt ein, dass das geistliche Engagement die Erwartungen der Brandenburger weit übertrifft. "Jeden Sonntag Gottesdienst, das sind wir hier gar nicht gewohnt."

Pfarrer Geißler lobt, dass auch der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, Garrey Anfang August einen Besuch abgestattet hat. Das sei Wertschätzung und Ermutigung für die Dorfbewohner, die sich manchmal etwas abgehängt fühlten. In den Dörfern gehörten meistens noch 35 bis 50 Prozent Menschen der Kirche an, in den Städten seien es in der Regel weniger als 20 Prozent.

Ob die Partnerschaft auch über das Reformationsjubiläum hinaus halten wird? Landesbischof July scherzte bei seinem Besuch vor Ort, Garrey gefalle ihm so gut, dass er sich hier eine "württembergische Exklave" vorstellen könnte. Auch wenn das nur humorvoll gemeint war - die richtigen Gesangbücher für diesen Plan liegen bereits in der Kirche.

Quellenangabe: Marcus Mockler (epd)


Mehr News

  • Datum: 22.04.2024

    Innovationstag: Jetzt anmelden!

    Frische Ideen fürs Gemeindeleben: Unter dem Motto „#gemeindebegeistert – Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ veranstaltet die Landeskirche am 4. Mai einen großen Innovationstag. In Projektpräsentationen und Workshops gibt’s Austausch und Tipps. Jetzt anmelden

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.04.2024

    KI in der Gemeindearbeit einsetzen

    Was ist Künstliche Intelligenz und was ist damit anzufangen? Eignet sich KI auch für die Gemeindearbeit und wo konkret kann sie dort zielgerichtet angewendet werden? Mit diesen Fragen befasst sich am 16. Mai ein Online-Seminar des Evangelischen Medienhauses.

    Mehr erfahren
  • Datum: 19.04.2024

    „Konfirmanden ist Glaube wichtiger als Geschenke“

    Frontalunterricht gibt es kaum noch im Konfi-Unterricht, sagt Prof. Dr. Wolfgang Ilg von der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg im Interview. Die Konfi-Arbeit sei nach wie vor das Angebot mit der größten Reichweite in der Evangelischen Kirche.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    „Kirche mit Kindern“ ist einfach lebendig

    Vom Kindergottesdienst zu einer Kirche für die ganze Familie: Lebendiger und spannender Gottesdienst mit neuen Herausforderungen. Wir haben Sabine Foth gefragt, wie sich die Kirche mit Kindern zu einer Familienkirche gewandelt hat und was ihr an der Arbeit besonders gefällt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    Video: Multitalent mit Down-Syndrom

    Tamara Röske hat viele Talente: Schauspielern, Modeln und Leichtathletik – trotz Handicap. Die 28-Jährige hat das Down-Syndrom. Wie bringt sie alles unter einen Hut? Darüber spricht sie zusammen mit ihrer Mutter Antje mit „Alpha & Omega“-Moderatorin Heidrun Lieb.

    Mehr erfahren
  • Datum: 17.04.2024

    „Der Segen Gottes gilt uns allen“

    Mit einem Gottesdienst in der Klosterkirche Mariaberg bei Gammertingen hat am 13. April die ökumenische Woche für das Leben begonnen. Sie stellt unter dem Motto die Lebenswirklichkeiten Jugendlicher und junger Erwachsener mit Behinderungen in den Mittelpunkt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Segen, Mut & Traubenzucker

    In diesen Wochen stehen an vielen Schulen Abschlussprüfungen an - für Schülerinnen und Schüler eine stressige Zeit. Die Ev. Jugendkirche Stuttgart macht mit einem speziellen PrüfungsSegen Mut und stellt auch anderen Gemeinden Materialien zur Verfügung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Digitaler Notfallkoffer für die Seele

    Hilfe in persönlichen Krisenmomenten bietet die KrisenKompass-App der Telefonseelsorge fürs Handy und Tablet. Sie bietet Unterstützung, um schnell wieder auf positive Gedanken zu kommen oder bei Bedarf rasch professionelle Hilfe finden zu können.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Zum 200. Todestag von Beata Regina Hahn

    Vor 200 Jahren starb Beata Regina Hahn, die zweite Ehefrau des Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn, Tochter von Johann Friedrich Flattich und Mutter der Schulgründerin Beate Paulus. Als Herausgeberin von Hahns Schriften prägte sie dessen Bild für viele Jahre.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    „Wir beten, dass die zerstörende Gewalt ein Ende nimmt“

    Die Landeskirchen in Württemberg und Baden haben den Jüdinnen und Juden im Land Grüße zum Pessach-Fest übersandt. Darin nehmen Landesbischof Gohl und Landesbischöfin Springhart Bezug auf den Angriff der Hamas wie auch auf den Raketenangriff des Iran auf Israel.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    Hoffnung wird durch Menschen vermittelt

    Bei einer religionspolitischen Tagung der SPD-Bundestagsfraktion am 12. April in Berlin unter dem Titel „Mehr Zuversicht! Mit Hoffnung die Zeiten wenden“ betonte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, wer die Verwurzelung in Jesus Christus spüre, werde für andere zur Hoffnung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 13.04.2024

    Landesbischof Gohl: "Wir stehen an der Seite Israels"

    "Der Angriff des Iran bedroht die Existenz Israels. Wir müssen daran erinnern, dass alles mit dem Pogrom der Hamas an Israel begann." Gohl weist weiterhin auf die israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas hin.

    Mehr erfahren
Mehr laden