13.10.2014 Ein Pfarrhaus als Flüchtlingsunterkunft
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Flüchtlinge
Ein Pfarrhaus als Flüchtlingsunterkunft
Es gehört zur Geschichte der Pfarrhäuser, dass sie eine offene Tür für Menschen in Not haben. Einige Gemeinden gehen noch einen Schritt weiter: Sie lassen die hilfesuchenden Menschen sogar in ihren Pfarrhäusern wohnen. Zum Beispiel in Eschenbach. Dort leben syrische Familien in der Pfarrwohnung.
Göppingen (epd). Es ist ein schönes, 200 Jahre altes Fachwerkhaus - das Pfarrhaus in Eschenbach (Kreis Göppingen). Fast zwei Jahre stand dort die Pfarrwohnung leer. Die Eschenbacher Pfarrerin Karin Lindner hat zwar ihr Büro im Erdgeschoss des Hauses, im Pfarramt, aber wohnt aus privaten Gründen nicht am Ort. Jetzt wohnen seit etwas mehr als einem Monat in den fünf Räumen im Obergeschoss zwei syrische Familien. Wenn Lindner nun an ihrem Schreibtisch sitzt, hört sie über sich Kindergeschrei und Schritte. "Es ist schön, dass im Pfarrhaus endlich wieder Leben ist", sagt die Theologin.
Eschenbach ist nicht die einzige Kirchengemeinde, die in ihrem Pfarrhaus Flüchtlinge wohnen lässt: Laut Kirchensprecher Oliver Hoesch werden in mindestens zehn württembergischen Pfarrhäusern Flüchtlinge beherbergt. Wie eine epd-Umfrage ergab, wurden in den vergangenen Monaten mehr als 2.000 Flüchtlinge in Räumen der evangelischen und katholischen Kirche in Baden-Württemberg untergebracht.
Schon vor einem Jahr hatte die Eschenbacher Kirchengemeinde entschieden, die Wohnung an den Landkreis zu vermieten, der Raum für Flüchtlinge suchte. Seitdem warteten alle gespannt, wer wohl ins Pfarrhaus ziehen wird. Die zehn neuen Hausbewohner haben eine 3.700 Kilometer lange Reise hinter sich: Adnan al Khatib lebte mit seiner Frau und vier Kindern im syrischen Dara, dem Ort, der durch die ersten Proteste im März 2011 gegen die Regierung Assads bekannt wurde.
Als die Sicherheitskräfte der Regierung gewaltsam gegen die Demonstranten vorgingen und es mehrere Tote und Verletze gab, floh er zusammen mit seiner Familie in den Libanon. Hier trennte sich al-Khatib von seiner Frau und den drei kleinen Kindern. "Die weitere Reise war zu teuer und zu gefährlich für die ganze Familie", meint der 43-Jährige.
Zusammen mit seinem ältesten Sohn Osama reiste er nach Algerien und anschließend nach Libyen. Dort mussten die beiden 5.000 Dollar für die Überfahrt nach Italien zahlen, berichtet er. "Uns wurde gesagt, dass nur 50 Leute in dem 40 Meter großen Boot transportiert werden, doch dann waren es 350 Menschen." Er zeigt auf seinem Handy ein Foto, auf dem zusammengepfercht Menschen in einem Boot sitzen und Schwimmwesten oder Schwimmringe umklammern. "Wir hatten große Angst, zu ertrinken." Auch al-Khatibs Schwester Yasmeen und ihre eineinhalbjährige Tochter haben es mit ihm nach Eschenbach geschafft, leben nun aber auch getrennt vom Rest ihrer Familie. "Wir hoffen, dass alle nachkommen können", sagt Adnan al Khatib. Seine Stimme bricht, die Sorge steht ihm ins Gesicht geschrieben.
Auch die sechsköpfige Familie Al Hosin al Naif hat eine dramatische Fluchtgeschichte. Sie wohnte in Damaskus, der Vater Akram hatte dort eine gute Stelle als Beamter im Verkehrsministerium. Ganz in der Nähe ihres Hauses verlief die Kampflinie zwischen Regierungstruppen und Rebellen, wo es regelmäßig zu Schusswechseln kam. Als es zu gefährlich wurde, schlug sich die Familie per Auto in die Türkei durch und von dort nach Bulgarien, wo sie für sieben Wochen in einem Flüchtlingslager in Zelten wohnten und anschließend in einem winzigen Raum unterkamen.
"Der Raum war höchstens neun Quadratmeter groß, für die ganze Familie", erzählt Akrams Frau Seham, die gerade mit ihrem fünften Kind schwanger ist. Jetzt sind sie froh, nach eineinhalb Jahren Flucht eine Bleibe gefunden zu haben. "Wir danken Deutschland", sagt Akram al Hosin al Naif. Seine Frau bietet einen starken Kaffee an. Alle sitzen auf einfachen Holzstühlen. Noch ist der Raum der Familie kaum eingerichtet. Doch Menschen aus dem Ort haben ihnen alles geschenkt, was sie erst mal brauchen: Betten, Kleidung, Möbel. Auch ein Arbeitskreis Asyl hat sich gegründet, der der Familie helfen will.
Langsam beginnen die ersten Schritte der Integration: Der zwölfjährige Osama freut sich, nach drei Jahren Flucht wieder eine Schule zu besuchen, zwei der Kinder gehen in den Kindergarten vor Ort. Pfarrerin Lindner ist überwältigt von der breiten Unterstützung der Kirchengemeinde. Zwar sei es für einzelne am Anfang gewöhnungsbedürftig gewesen, dass Muslime in dem traditionsreichen Haus wohnen. Doch durch die sympathische Art der neuen Bewohner seien auch die letzten Bedenken verschwunden. "Sie waren sogar schon beim Erntedankfest im Kirchencafé." Wie ist es für die muslimischen Familien, in einem christlichen Pfarrhaus zu wohnen? "Wir haben damit kein Problem", sagt Adnan al Khatib. "Ich kenne schon aus Damaskus einige Christen. Das waren alles sehr nette Leute."
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