| Gesellschaft

Ein Performer vor dem Herrn

Kabarettist Christoph Sonntag über seine prägenden Erfahrungen in der evangelischen Jugendarbeit

Christoph Sonntag inszeniert jedes Detail seiner Programme. Anschließend probt er „auf Sekunde“. Auch in diesen Tagen. Ende Oktober steigt in der Porsche Arena die nächste große TV-Produktion. Das heißt für den August: Texte auswendig lernen. So steht es im Jahresplan in seinem Büro.

Christoph SonntagPressefoto/Christoph Sonntag

Sonntag fegt in den Raum: „So, hallo, grüß Gott! Sie wollten heute kein Bild machen, oder?“ Zum Gespräch ist nicht die Bühnenfigur Christoph Sonntag erschienen. Die ist ein Performer vor dem Herrn. Jetzt ist der Mensch Christoph Sonntag da. Bei weit über 30 Grad mit kurzer Hose. Das Hemd einen Knopf weiter offen als auf der Bühne. Und mit offenen Worten, wie ihn die evangelische Jugendarbeit geprägt hat.

„Im Rückblick ist mir klar, dass ich auf der Bühne landen musste“

Der Weg war vorgezeichnet: Der junge Christoph würde irgendwann in der evangelischen Jugendarbeit ankommen – „Familientradition.“ Es war aber nicht die Familientradition, die ihn dort gehalten hat. Der inzwischen 53-jährige erinnert sich: „Es gab damals wenig Angebote verglichen mit heute. Da war es schon eine tolle Sache, dass man sich einmal die Woche trifft und Bibelarbeit macht. Das hat Spaß gemacht. Es war eine Gemeinschaft, die das Gute wollte.“ Er sitzt ganz entspannt auf seinem Stuhl. „Und man fragt sich ja manchmal, ob es Gott gibt oder nicht. Insgesamt hat mir die Jugendarbeit die Wahrscheinlichkeit ins Hirn getrieben, dass es Gott gibt. Und wenn es ihn gibt, dann führst du dein Leben anders. Vielleicht mit mehr Verantwortung und grundsozialerer Einstellung. Das hat mir nicht geschadet.“

Nicht geschadet haben ihm auch die großen Jugendveranstaltungen. Er hat mit vielen anderen in Sporthallen übernachtet. Und sich während der Nachtruhe – ein Lausbubengrinsen macht sich breit – mit seinem Vetter durchs Fenster abgesetzt. Er hat dort aber auch vor 200 anderen Jugendlichen öffentlich gebetet. Auch der Mensch Christoph Sonntag ist ein Performer vor dem Herrn: „Das war super und ich hab das auch gut gekonnt. Das hat mir Spaß gemacht. Im Rückblick ist mir völlig klar, dass ich auf der Bühne landen musste.“

Sozialdiakonie verankert in der Kirche

Dass Christoph Sonntag heute noch zur Kirche hält, hat viel mit der Diakonie zu tun. Nach der Pubertät brauchte er Abstand. In der Kirche war es ihm zu eng geworden. Sein Zivildienst führte ihn zur Diakonie Waiblingen. „Mit der Diakonie habe ich Kirche als Verein kennengelernt, der nicht nur labert, sondern auch zugreift. Das hat mich sehr beeindruckt. Wenn ein Obdachloser geklingelt hat, wurde aufgemacht. Es gab einen Handschlag, er durfte sich waschen, es wurde mit ihm gesprochen, wie es ihm geht und es gab ein Essen. Das hat sich herumgesprochen. Die Menschen wurden einfach respektvoll behandelt. Das hatten sie vorher jahrelang nicht mehr erlebt. Hut ab vor dieser Institution! Und ich hab irgendwann gesagt: Egal, in welche Zweifel ich in diesem Leben noch kommen werde, der evangelischen Kirche bleibe ich treu.“ Diese soziale Note seines Glaubens hat sich Christoph Sonntag bewahrt. Er gründete seine „Stiphtung Christoph Sonntag“. Mit der will er Gutes tun. Dafür sammelt er Spenden und bietet den Spendern ein positives öffentliches Erscheinungsbild. Er macht es gern. Denn „im Gutes-Tun bin ich absoluter Opportunist. Und es gibt viel zurück.“

„Kirche hat sich Liebesmaximierung auf die Fahnen geschrieben“

Dass Kirche Gutes tut, begeistert ihn. „Sie ist engagiert im Bereich Nächstenliebe, Liebe, Friede, Miteinander, Toleranz, Flüchtlingsfrage. Unglaublich wichtige Dinge. Kirche hat sich Liebesmaximierung auf die Fahnen geschrieben.“ Manchmal fehlt ihm bei der Kirche aber die letzte Konsequenz. Dann wird es ihm wieder zu eng. Dass in Predigten manchmal mit der Hölle gedroht wird, kann er nicht mehr hören. Da hält er gerne seine Lieblingsgeschichte aus der Bibel dagegen. Das ist die vom Verlorenen Sohn. Darin entdeckt Sonntag ein „Grundverzeihen“. Deswegen kann er sich auch keine Hölle vorstellen. „Wenn es einen Gott gibt, dann sind viele Dinge wie die Erfindung einer Hölle und eines Gottes, der oben aussortiert, schwachsinnig.“ Er verlässt seine entspannte Haltung und richtet sich energisch auf. „Das kann ich einfach nicht glauben. Und mittlerweile habe ich den Mut, vor diesen Gott hinzustehen und zu sagen: Ich glaube das nicht. So kannst du nicht sein. Wenn du so bist, habe ich mich in dir getäuscht. Dann können wir aber auch keine Freunde sein. Und da denk ich mir: Als ganz braver Christ könnte man sich viel mehr trauen und sich dabei auf die Bibel berufen. Das wäre mal was Neues.“

Was Neues gab es für ihn Ende April. Da hat er sich was getraut und den Wasengottesdienst zum Stuttgarter Frühlingsfest mitgestaltet. Natürlich kabarettistisch inszeniert und auf Sekunde geprobt, wie er erzählt. Der „kam saugut an“. Er performt einfach gerne. Auch für den Herrn.

Tobias Weimer


Mehr News

  • Datum: 19.04.2024

    „Konfirmanden ist Glaube wichtiger als Geschenke“

    Frontalunterricht gibt es kaum noch im Konfi-Unterricht, sagt Prof. Dr. Wolfgang Ilg von der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg im Interview. Die Konfi-Arbeit sei nach wie vor das Angebot mit der größten Reichweite in der Evangelischen Kirche.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    „Kirche mit Kindern“ ist einfach lebendig

    Vom Kindergottesdienst zu einer Kirche für die ganze Familie: Lebendiger und spannender Gottesdienst mit neuen Herausforderungen. Wir haben Sabine Foth gefragt, wie sich die Kirche mit Kindern zu einer Familienkirche gewandelt hat und was ihr an der Arbeit besonders gefällt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    Video: Multitalent mit Down-Syndrom

    Tamara Röske hat viele Talente: Schauspielern, Modeln und Leichtathletik – trotz Handicap. Die 28-Jährige hat das Down-Syndrom. Wie bringt sie alles unter einen Hut? Darüber spricht sie zusammen mit ihrer Mutter Antje mit „Alpha & Omega“-Moderatorin Heidrun Lieb.

    Mehr erfahren
  • Datum: 17.04.2024

    „Der Segen Gottes gilt uns allen“

    Mit einem Gottesdienst in der Klosterkirche Mariaberg bei Gammertingen hat am 13. April die ökumenische Woche für das Leben begonnen. Sie stellt unter dem Motto die Lebenswirklichkeiten Jugendlicher und junger Erwachsener mit Behinderungen in den Mittelpunkt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Innovationstag: Jetzt anmelden!

    Frische Ideen fürs Gemeindeleben: Unter dem Motto „#gemeindebegeistert – Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ veranstaltet die Landeskirche am 4. Mai einen großen Innovationstag. In Projektpräsentationen und Workshops gibt’s Austausch und Tipps. Jetzt anmelden

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Segen, Mut & Traubenzucker

    In diesen Wochen stehen an vielen Schulen Abschlussprüfungen an - für Schülerinnen und Schüler eine stressige Zeit. Die Ev. Jugendkirche Stuttgart macht mit einem speziellen PrüfungsSegen Mut und stellt auch anderen Gemeinden Materialien zur Verfügung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Digitaler Notfallkoffer für die Seele

    Hilfe in persönlichen Krisenmomenten bietet die KrisenKompass-App der Telefonseelsorge fürs Handy und Tablet. Sie bietet Unterstützung, um schnell wieder auf positive Gedanken zu kommen oder bei Bedarf rasch professionelle Hilfe finden zu können.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Zum 200. Todestag von Beata Regina Hahn

    Vor 200 Jahren starb Beata Regina Hahn, die zweite Ehefrau des Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn, Tochter von Johann Friedrich Flattich und Mutter der Schulgründerin Beate Paulus. Als Herausgeberin von Hahns Schriften prägte sie dessen Bild für viele Jahre.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    „Wir beten, dass die zerstörende Gewalt ein Ende nimmt“

    Die Landeskirchen in Württemberg und Baden haben den Jüdinnen und Juden im Land Grüße zum Pessach-Fest übersandt. Darin nehmen Landesbischof Gohl und Landesbischöfin Springhart Bezug auf den Angriff der Hamas wie auch auf den Raketenangriff des Iran auf Israel.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    Hoffnung wird durch Menschen vermittelt

    Bei einer religionspolitischen Tagung der SPD-Bundestagsfraktion am 12. April in Berlin unter dem Titel „Mehr Zuversicht! Mit Hoffnung die Zeiten wenden“ betonte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, wer die Verwurzelung in Jesus Christus spüre, werde für andere zur Hoffnung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 13.04.2024

    Landesbischof Gohl: "Wir stehen an der Seite Israels"

    "Der Angriff des Iran bedroht die Existenz Israels. Wir müssen daran erinnern, dass alles mit dem Pogrom der Hamas an Israel begann." Gohl weist weiterhin auf die israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas hin.

    Mehr erfahren
  • Datum: 12.04.2024

    Klassik und Pop Hand in Hand

    Die Evangelische Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen hat schon früh einen Studiengang für populare Kirchenmusik eingerichtet und war damit in der EKD Vorreiter. Prof. Thomas J. Mandl und Prof. Patrick Bebelaar erklären, was das Besondere an der HKM ist.

    Mehr erfahren
Mehr laden