| Landeskirche

Süße Früchte und gelebte Solidarität

Gisela Winkler verabschiedet sich von der Mango-Aktion im Kirchenbezirk Böblingen

Gisela Winkler ist hochdekoriert. Zu ihren Auszeichnungen zählen unter anderem das Bundesverdienstkreuz, der Sozialpreis der Stadt Sindelfingen und der Verdienstorden der Republik Burkina Faso. Grund für die Ehrungen: Fast 30 Jahren engagierte sich Winkler federführend im Rahmen der Mango-Aktion im Kirchenbezirk Böblingen für evangelische Schulen in dem westafrikanischen Land Burkina Faso. Nun hat die 75-Jährige ihr Engagement beendet. Im Interview mit Ute Dilg zieht sie Bilanz. 

Ruth Ouedraogo, bis 2016 Koordinatorin der Mangoaktion in Burkina Faso, und Gisela WinklerEMH/priv.

Sie haben die Mango-Aktion vor fast 30 Jahren mit ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Bei einer Partnerschaftsreise baten uns unsere Partner in Burkina Faso um Unterstützung. Sie erzählten, dass der Staat aus Geldmangel die evangelischen Grundschulen nicht weiter finanzieren würde. Das war 1988. Wir haben dann lange überlegt, was es in Burkina Faso gibt, was wir in Europa nicht haben. Da wir gerade unter einem Mangobaum saßen, lag die Idee nahe, eben Mangos nach Deutschland zu holen und zu verkaufen.

Eine Idee zu haben ist ja das eine, sie dann auch umzusetzen, ist oft gar nicht so leicht. Wie ging es dann weiter?
Meine Mitstreiter und ich waren überzeugt von unserer Idee, auch wenn uns anfangs viel Skepsis entgegenschlug, auch von Hilfsorganisationen. Aber das hat uns nur angespornt. Wir haben mit 4.500 Mangos klein angefangen, um zu schauen, ob wir das mit dem Transport überhaupt geregelt bekommen. Und das war gut so. Nachahmer sind daran gescheitert, dass sie zu groß eingestiegen sind. Die Mango-Aktion ist in der Folge dann immer weiter gewachsen. In den vergangenen zehn Jahren haben wir jedes Jahr knapp 100.000 Früchte eingeflogen und verkauft. 

Dank der Mango-Aktion zwischen der evangelischen Kirche in Burkina Faso und dem evangelischen Kirchenbezirk Böblingen werden in dem afrikanischen Land Schulen gebaut und Lehrer finanziertEMH/priv.

Um das zu stemmen, brauchen Sie viele Ehrenamtliche.
Insgesamt arbeiten um die 250 Ehrenamtliche mit. Uns war wichtig, alle Gemeinden des Kirchenbezirks mit einzubeziehen. Am Anfang haben nur einige mitgemacht, heute sind tatsächlich alle 26 Kirchengemeinden dabei. Es ist eben keine Privatinitiative von einigen Engagierten, sondern der ganze Kirchenbezirk steht dahinter.

Was hat die Mango-Aktion in den vergangenen fast 30 Jahren Gutes bewirkt?
Wir können mit einer Mango-Aktion derzeit 58 Lehrergehälter im Jahr finanzieren. Die evangelischen Schulen in Burkina Faso stellen dafür Anträge, je nachdem wie viel Geld sie brauchen. Sie werden nicht nach dem Gießkannenprinzip unterstützt, sondern nach dem tatsächlichen Bedarf. Außerdem haben wir angefangen Schulküchen einzurichten. In Burkina Faso wird traditionell meist erst abends gekocht und gegessen. Nach einem anstrengenden Fußmarsch oft von mehr als zehn Kilometer auf leeren Magen waren viele Kinder zu schwach und konnten dem Unterricht nicht richtig folgen. Deshalb sind früher viele zuhause geblieben. Das hat sich sehr gebessert. Und wir fördern den Brunnenbau, damit jede Schule sauberes Trinkwasser zur Verfügung hat.

In all den Jahren gab es doch sicherlich auch die ein oder andere Panne?
2004 war ein schlimmes Jahr. Wir wollten 50.000 Mangos in Paris abholen, alle Papiere waren schon unterschrieben. Doch dann wurden bei einer abschließenden Untersuchung der Früchte zwei Maden gefunden. Ich habe gehofft, dass wir die Mangos durchsortieren können. Aber das war aufgrund strenger Bestimmungen nicht möglich. Am Ende mussten alle Früchte verbrannt werden. Ich kam also mit einem leeren LKW nach Sindelfingen zurück. Das war wirklich eine Katastrophe. Wir haben dann einen Spendenaufruf gestartet. Die Reaktion darauf war Solidarität pur. Die Menschen haben ihre bestellten Mangos bezahlt, ohne sie je zu bekommen. Andere haben gespendet. Innerhalb von zwei Wochen hatten wir genug Geld beisammen, um unsere Partner in Burkina Faso ein weiteres Jahr unterstützen zu können. 

Dank der Mangoaktion werden auch Schulküchen eingerichtetEMH/priv.

Welche ganz persönlichen Erinnerungen nehmen Sie aus Ihrem Engagement mit?
Einen meiner schönsten Momente hatte ich bei einem Besuch im Norden von Burkina Faso. Ich schaute unangemeldet in einer der evangelischen Schulen vorbei. Keiner wusste dort, wer ich war. Im Klassenraum saßen etwa hundert Kinder. Es war recht kalt und der Lehrer stand mit einem Mantel an der Tafel. Und dann erzählte er mir, dass er nur deshalb hier unterrichten könne, weil es in Europa einige „verrückte Weiße“ gäbe, die Mangos aus Burkina Faso verkauften. Vom Erlös würde er bezahlt, das sei doch ein Wunder. Für mich war das ein richtiger Gänsehautmoment.

Sie und einige Mitstreiter haben sich nun zurückgezogen. Wie geht es nach Ihrem Abschied weiter?
Die Mango-Aktion macht so viel Sinn. Sie ist Entwicklungshilfe auf Augenhöhe. Beide Seiten – wir in Europa und unsere Partner in Afrika – müssen das Ihre tun, damit sie ein Erfolg bleibt. Deshalb bin ich guter Hoffnung, dass die Aktion mit uns nicht aufhört. Und vielleicht ist es ganz gut, dass wir „Alten“ gehen. Dann haben die Nachfolger eine Chance sich zu bewähren. 


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