| Landeskirche

Süßer die Glocken nie klingen

Die Bedeutung der Kirchenglocken

Im Glockenmuseum in Herrenberg hängen 35 historische Kirchenglocken verschiedener Größe und Klangfarbe. Sie läuten täglich zu bestimmten Uhrzeiten. Mehrmals im Jahr werden mit ihnen sogar Konzerte aufgeführt. Doch warum hat jede Kirche ihre Glocke? Und was bedeutet ihr Schlagen zu welcher Uhrzeit?

Die Taufglocke im Museum der Stiftskirche in Herrenberg.EMH/Neumann

Die untergehende Sonne taucht den Himmel über Stuttgart in ein goldenes Licht. Der Arbeitstag ist überstanden und der Feierabendverkehr hat sich aufgelöst. 21 Uhr – die Kirchturmuhr schlägt zur vollen Stunde.

„Erst durch die Kirchenglocken wird dieser Moment für mich vollkommen. Ich weiß dann, jetzt kann ich zur Ruhe kommen“, sagt Claus Huber, Glockensachverständiger der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Ob bewusst oder unbewusst, Kirchenglocken sind tief im Alltag vieler Europäer verwurzelt. Ihre Allgegenwart zeigt sich in populären Liedern wie etwa dem Weihnachtsschlager „Süßer die Glocken nie klingen“. Beerdigungsszenen in Spielfilmen oder Hinrichtungen in Historiendramen werden oft mit einem dumpfen Glockenschlag eingeleitet. Und viele Dorfkinder, die noch ohne Smartphone groß wurden, kennen den Satz: „Komm um sechs zum Essen, wenn die Glocken läuten.“ Glocken sind überall und doch sind sie für viele nicht mehr als ein Hintergrundgeräusch.

Glockenküster Klaus HammerEMH/Neumann

Glockengeläut für den Frieden

Ein Besuch im Glockenmuseum in Herrenberg kann das ändern und das Bewusstsein für ihre Bedeutung schärfen. Im Turm der Herrenberger Stiftskirche werden 35 Glocken nicht nur ausgestellt, sondern läuten noch täglich oder zu bestimmten Zeiten. Eine der Ältesten ist die Mittagsglocke. Sie erklingt seit dem Jahr 1470 zur Mittagsstunde. Ihr Läuten um Punkt 12 Uhr verkündet weit mehr als die Uhrzeit. „Viele Menschen wissen gar nicht mehr, dass das tägliche Geläut an die christliche Verkündigung erinnert“, erläutert Klaus Hammer, der Glockenküster des Museums. „Christus bat Gott am Tag seiner Kreuzigung, seinen Peinigern zu vergeben. Er wollte Frieden, keine Rache. Darum hält uns die Mittagsglocke an, nach Frieden zu streben.“

Läuteordnung regelt Glockengeläut

In vielen Gemeinden läuten die Glocken dann wieder um 15 Uhr. Sie verkünden die Sterbestunde Jesu. Um 18 Uhr erinnert der Glockenschlag an den Engel Gabriel, der Maria verkündet, dass sie den Heiland gebären wird. Das Nachtleuten um 20 Uhr kündet vom letzten Abendmahl Jesu. Diese sogenannte „Läuteordnung“ besteht, mit kleinen Abweichungen, seit über 1.200 Jahren. Karl der Große führte sie im Jahr 803 in Aachen verpflichtend für ganz Europa ein.

„Das Glockengeläut ist für viele Menschen auch eine Art Heimatgefühl. Wenn sie nach langer Zeit in ihr Dorf oder in ihre Stadt kommen und dort die Glocken wieder hören, fühlen sie sich angekommen“, erklärt Claus Huber. Er berichtet von einer älteren Bekannten, die den Glockenschlag als tröstlich empfinde, wenn sie nachts nicht schlafen könne. „Sie weiß dann, sie ist nicht allein, denn Gott ist bei ihr“, erzählt Huber.

Das 50-stimmige CarillonEMH/Neumann

Klaus Hammer sieht die Glocken auch als historische Kulturgüter. „Sie berichten eine Menge über die Epoche, aus der sie stammen“, erläutert er. Im Glockenmuseum hängt zum Beispiel die „Armersünder Glocke“. Sie ist die älteste Glocke Baden-Württembergs und stammt ungefähr aus dem Jahr 1200. Sie erklang immer dann, wenn ein zum Tode Verurteilter, also ein „armer Sünder“, zum Galgen oder Schafott geführt wurde. 

Reich verzierte Reformationsglocke

Die Reformationsglocke von 1738 ist bezeichnend für den Spätbarock. „Das erkennt man an den aufwändigen Verzierungen und dem dürftigen Klang“, erklärt Hammer. In der Zeit nach 1500 maßen Glockengießer nämlich der Gestaltung ihres Werks oberste Priorität zu. Die Reformationsglocke bekam ihren Namen dank ihrer Inschrift „Verbum Domini manet in aeternum“ (Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit). Die Verkündigung steht im Vordergrund und nicht Papst oder Tradition. Um die Worte ranken sich feine Lorbeerblätter und „jeder, der in der Gemeinde was zu sagen hatte, hat sich hier verewigen lassen. Vom Bürgermeister bis zum Pfarrer“, so Hammer.

Glockenspiel läutet täglich ein Volkslied

Ein weiteres Schmuckstück des Museums ist das sogenannte Carillon – ein modernes Glockenspiel, das über den historischen Glocken befestigt ist. Mehrmals im Jahr finden in der Herrenberger Stiftskirche Glocken- und Carillon-Konzerte statt. Außerdem läutet das Carillon im Zusammenspiel mit den historischen Glocken täglich ein Volkslied. Das Lied wechselt je nach Abschnitt im Kirchenjahr. In der Adventszeit etwa ist es „Macht hoch die Tür“, zu Pfingsten Beethovens „Für Elise“. Und jetzt im Sommer spielt es „Geh aus mein Herz und suche Freud“.

Marie-Louise Neumann



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