| Landeskirche

Fürsprecher für die Schwachen, Unterdrückten und Ausgegrenzten

Michael Proß im Interview zu 175 Jahren Gustav-Adolf-Werk Württemberg

Das Gustav-Adolf-Werk (GAW) Württemberg,  gegründet, um hilfsbedürftige protestantische Gemeinden in Minderheitssituationen zu unterstützen, wird in diesem Jahr 175 Jahre alt. Seit drei Monaten ist Michael Proß sein Geschäftsführer. Er sieht das Werk als Fürsprecher für die Schwachen, Unterdrückten und Ausgegrenzten. Und er sagt: „Finanziellen Hilfen allein sind häufig nicht nachhaltig genug. Da muss schon noch Manpower dazukommen.“ Stephan Braun hat mit ihm gesprochen. 

EMH/Schmitt

Herr Proß, Sie sind noch nicht so lange Geschäftsführer des GAW. Da darf ich noch fragen: Was hat Sie am GAW besonders gereizt und angesprochen?
Natürlich die Stelle als solche mit der Geschäftsführung und der Verantwortung für ein traditionelles Werk, das in Württemberg gut verankert ist. Aber ich hatte auch schon davor Kontakt zum GAW über meine Frau, die in einer Diasporagemeinde in Chile groß geworden ist. Da habe ich die Hilfen des GAW im Ausland kennengelernt. Das hat mich beeindruckt.

Nun feiert das GAW Württemberg in diesem Jahr sein 175-jähriges Bestehen. Worin sehen Sie den größten Verdienst dieses Werkes?
Ich meine, dass das GAW zum Fürsprecher für die Schwachen, Unterdrückten und Ausgegrenzten wurde. Das Werk wurde ja mit dem Ziel gegründet, hilfsbedürftige protestantische Gemeinden zu unterstützen, die sich in einer Minderheit befinden. Da hat es einiges geleistet.

Zum Beispiel?
Ganz früh schon in seiner Geschichte hat sich das GAW Württemberg zunächst in Österreich, später im katholischen Oberschwaben engagiert: Das können Sie dort noch an bald jeder evangelischen Kirche sehen. Da wurden Taufsteine oder Abendmahlsgeschirr durch das GAW finanziert oder der Bau des ganzen Gotteshauses mit unterstützt. Als gleich nach dem Zweiten Weltkrieg sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, hat das GAW seine Aufgabe darin gesehen, Geflüchteten und Vertriebenen bei der Eingliederung zu helfen. Etwa  indem wir Ausbildungskosten für einen kirchlichen Beruf übernommen haben. Oder denken Sie an die Zeit des Kalten Krieges und des Eisernen Vorhangs. Da war es für die Gemeinden in den Ländern der Sowjetunion ganz wichtig zu erfahren, dass sie nicht alleine sind, dass sie jemand unterstützt und an sie denkt. Auch heute noch sind Gemeinden dort zum Teil auf unsere Hilfe angewiesen. Erst kürzlich berichtete eine Pfarrerin aus Russland, die Gemeindeglieder empfinden die Minderheitensituation als bedrückend und erfahren immer wieder, dass Evangelische als Sekte wahrgenommen werden.  So sehen wir unsere Arbeit auch als Beitrag zur Stärkung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit.


Michael Proß (40), ist seit September vergangenen Jahres Geschäftsführer des Gustav-Adolf-Werkes (GAW) Württemberg. Der studierte Betriebswirt hat zunächst in der Industrie gearbeitet. Später durchlief er eine theologische Ausbildung am Johanneum in Wuppertal sowie die Aufbauausbildung zum Diakon der württembergischen Landeskirche. Danach war er in der Kinder- und Jugendarbeit sowie im Oberkirchenrat im Referat Kirche in Freizeit und Tourismus tätig.


Wo steht das GAW heute?
In Württemberg freuen wir uns über die große Anerkennung und Reputation, die wir seitens der Kirchenleitung und der Synode genießen. Das ist in Deutschland einmalig. Vielleicht liegt das auch daran, dass mit Ausnahme von zehn Jahren seit 1904 immer Prälaten Vorsitzende im GAW in Württemberg waren. So wurde gesehen, was für eine gute Arbeit wir leisten, wie eng vernetzt wir mit Gemeinden in vielen Ländern sind und wie gut in Württemberg verankert.

Wo liegen die Herausforderungen?
In unseren besten Zeiten hatten wir 150 Frauenarbeitskreise, jetzt noch 37 Frauen- und Freundeskreise. Wir merken, den Menschen fällt es zunehmend schwer, eine bestimmte Gruppe zu besuchen. Die Frage ist also: Wie schaffen wir es, dass sich wieder mehr Menschen am GAW beteiligen? Zwei Themen müssen wir dabei verstärkt angehen: die digitale Vernetzung und eine stärkere Projektorientierung. Die Menschen engagieren sich eher in zeitlich befristeten und klar definierten Projekten. Ein weiteres Ziel muss sein, diese Projekte möglichst nachhaltig zu gestalten und emotionale Bindungen zu schaffen.

Flüchtlingslager in Idomeni. Auch hier engagiert sich das GAW Württemberg.EPD/Thomas Lohnes

Wie wollen Sie das schaffen?
Das geht nur über Begegnungen. In diesem Zusammenhang halte ich die Einrichtung des Freiwilligendienstes im Jahr 2002 für einen gelungenen Schritt. So können junge Frauen und Männer ein Jahr im Ausland verbringen, dort Einblicke in die kirchliche und sozialdiakonische Arbeit der Gemeinden bekommen, mithelfen, Freundschaften schließen und später wertvolle Multiplikatoren werden. Dies geschieht übrigens auch bei unseren Reisen, die wir in die Diaspora anbieten, sei es für Interessierte oder auch speziell für Pfarrerinnen und Pfarrer. Auch dass wir zusammen mit dem Evangelischen Jugendwerk Workcamps in Diasporagemeinden im Ausland anbieten, zielt in diese Richtung. Mit finanziellen Hilfen allein, erzielen wir manchmal keine ausreichende, nachhaltige Wirkung. Da muss schon noch Manpower dazukommen.

Was können die Württemberger von den Diasporagemeinden lernen?
Wie Kirche in der Öffentlichkeit mit einem erkennbaren Profil auftreten und präsent sein kann.
Die evangelischen Christen in Polen beispielsweise machen nur 0,2 Prozent der Bevölkerung aus. Aber unsere Partnerkirche hat erkannt, dass seit dem EU-Beitritt und der Öffnung der Grenzen ganz viele Leute  aus Polen weggehen und dass das ein Problem ist. Für die Kinder, die häufig mit einem Elternteil oder nur mit den Großeltern zurückbleiben, aber auch für die alten Menschen, weil es so gut wie keine staatlichen Pflegeeinrichtungen gibt. Für unsere Partnerkirche Grund genug, sich in beiden Bereichen stark zu engagieren.

Am 3. und 4. Februar begehen Sie Ihr Festwochenende. Was erwartet die Besucher?
20 ausländische Gäste aus der Diaspora, von Südamerika bis Russland und von Syrien bis Spanien, die mit uns feiern und in Vorträgen und bei Workshops aus ihrer Arbeit berichten. Und natürlich wie immer: Viel Zeit zur Begegnung.


Mehr News

  • Datum: 16.04.2024

    Innovationstag: Jetzt anmelden!

    Frische Ideen fürs Gemeindeleben: Unter dem Motto „#gemeindebegeistert – Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ veranstaltet die Landeskirche am 4. Mai einen großen Innovationstag. In Projektpräsentationen und Workshops gibt’s Austausch und Tipps. Jetzt anmelden

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Digitaler Notfallkoffer für die Seele

    Hilfe in persönlichen Krisenmomente bietet die KrisenKompass-App der Telefonseelsorge fürs Handy und Tablet. Sie bietet Unterstützung, um schnell wieder auf positive Gedanken zu kommen oder bei Bedarf schnell professionelle Hilfe finden zu können.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Zum 200. Todestag von Beata Regina Hahn

    Vor 200 Jahren starb Beata Regina Hahn, die zweite Ehefrau des Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn, Tochter von Johann Friedrich Flattich und Mutter der Schulgründerin Beate Paulus. Als Herausgeberin von Hahns Schriften prägte sie dessen Bild für viele Jahre.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    „Wir beten, dass die zerstörende Gewalt ein Ende nimmt“

    Die Landeskirchen in Württemberg und Baden haben den Jüdinnen und Juden im Land Grüße zum Pessach-Fest übersandt. Darin nehmen Landesbischof Gohl und Landesbischöfin Springhart Bezug auf den Angriff der Hamas wie auch auf den Raketenangriff des Iran auf Israel.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    Hoffnung wird durch Menschen vermittelt

    Bei einer religionspolitischen Tagung der SPD-Bundestagsfraktion am 12. April in Berlin unter dem Titel „Mehr Zuversicht! Mit Hoffnung die Zeiten wenden“ betonte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, wer die Verwurzelung in Jesus Christus spüre, werde für andere zur Hoffnung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 13.04.2024

    Landesbischof Gohl: "Wir stehen an der Seite Israels"

    "Der Angriff des Iran bedroht die Existenz Israels. Wir müssen daran erinnern, dass alles mit dem Pogrom der Hamas an Israel begann." Gohl weist weiterhin auf die israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas hin.

    Mehr erfahren
  • Datum: 12.04.2024

    Klassik und Pop Hand in Hand

    Die Evangelische Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen hat schon früh einen Studiengang für populare Kirchenmusik eingerichtet und war damit in der EKD Vorreiter. Prof. Thomas J. Mandl und Prof. Patrick Bebelaar erklären, was das Besondere an der HKM ist.

    Mehr erfahren
  • Datum: 11.04.2024

    Woche für das Leben 2024

    Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist zentrale Aufgabe von Politik, Kirche und Gesellschaft. Darauf verweisen die großen christlichen Kirchen in Baden-Württemberg anlässlich der am Samstag beginnenden ökumenischen „Woche für das Leben 2024“.

    Mehr erfahren
  • Datum: 11.04.2024

    Zum Tod von Pfarrer i.R. Konrad Eißler

    Pfarrer Konrad Eißler ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Landesweit war er bekannt für seine klare Haltung und seine humorvollen Predigten. An der Stiftskirche gründete er die Stuttgarter Jugendgottesdienste, ein zu seiner Zeit neues und einmaliges Format.

    Mehr erfahren
  • Datum: 10.04.2024

    KI: Gerechtigkeit, Bildung, Gemeinschaft

    Beim Thementag „KI, Ethik, Kirche“ auf dem Bildungscampus in Heilbronn ordnete Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl die ethischen Herausforderungen der Nutzung Künstlicher Intelligenz theologisch ein. Hier finden Sie den Wortlaut des Grußwortes von Landesbischof Gohl.

    Mehr erfahren
  • Datum: 10.04.2024

    Thementag „KI, Ethik, Kirche“

    Rund 160 Teilnehmende aus den unterschiedlichsten Bereichen der Landeskirche haben sich auf dem Bildungscampus Heilbronn über Künstliche Intelligenz informiert und die Anwendungsmöglichkeiten in kirchlichen Organisationen diskutiert.

    Mehr erfahren
  • Datum: 10.04.2024

    Segen, Mut & Traubenzucker

    In diesen Wochen stehen an vielen Schulen Abschlussprüfungen an - für Schülerinnen und Schüler eine stressige Zeit. Die Ev. Jugendkirche Stuttgart macht mit einem speziellen PrüfungsSegen Mut und stellt auch anderen Gemeinden Materialien zur Verfügung.

    Mehr erfahren
Mehr laden