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„Das könnt ihr dreckiger“

Auftaktprobe zu „Martin Luther King“ in Ludwigsburg

Stuttgart/Ludwigsburg. Die Proben für die beiden Aufführungen des Mega-Musicals „Martin Luther King“ im Januar in Ludwigsburg haben begonnen: Am Samstag, 21. September, übten mehr als 400 Sängerinnen und Sänger in der Bonhoeffer-Kirche in Stuttgart-Fasanenhof. Am heutigen Sonntag werden sogar 800 Frauen und Männer in der Friedenskirche Ludwigsburg erwartet.

Hans-Martin Sauter - Kirchenmusikdirektor, Popchorreferent beim Evangelischen Jugendwerk und irgendwie auch Entertainer für die mehr als 400 Sängerinnen und Sänger...Siegfried Denzel/EMH

„Des könnd ihr au dreckiger singa!“ Wie bitte? Da hat ein Kirchenmusikdirektor gerade eben seinen Chor aufgefordert, „schmutziger“ zu singen...

Aber es ist eben nicht irgendein Kirchenchor, der die musikalische Begleitung des sonntäglichen Gottesdienstes übt und sich an einem sauberen „Halleluja“ versucht. Nein, in der Bonhoeffer-Kirche in Stuttgart-Fasanenhof findet gerade die erste Regionalprobe für das Chormusical „Martin Luther King“ statt, das zwei jeweils 800 Sängerinnen und Sänger starke Chöre am 25. und 26. Januar 2020 in der MHP Arena Ludwigsburg aufführen werden.

Hans-Martin Sauter, Kirchenmusikdirektor und Referent für Popchor-Arbeit beim Evangelischen Jugendwerk in Württemberg, dirigiert auch die beiden Aufführungen im Januar in Ludwigsburg.Siegfried Denzel/EMH

„Schmutzig“ ist schwierig

Dabei weiß wohl niemand so gut wie Hans-Martin Sauter, wie schwierig das von ihm eingeforderte „schmutzig“ musikalisch umzusetzen ist: Das Stück der Komponisten Hanjo Gäbler und Christoph Terbuyken sowie des Librettisten Andreas Malessa spielt in den Vereinigten Staaten der 1960er Jahre: Swing, Bigband-Sound, Jazz und Blues sind gerade angesagt - und diese Stilrichtungen prägen auch das Musical.

„Ich habe noch nie an einem Stück so viel geübt“, räumt Hans-Martin Sauter denn auch ein, der nun am Keyboard seinen Projektchor anleitet. Für einen Kirchenmusiker geradezu schräge Akkorde - und Harmonien, die plötzlich den Rhythmus wechseln: „Ich hab' in den letzten Tagen richtig geackert", beschreibt Sauter seine Vorbereitungen auf die Auftaktprobe.

Kein Tempolimit

Doch vom Übungsschweiß der vergangenen Tage ist in der Bonhoeffer-Kirche nichts zu spüren: Ein gut aufgelegter und ausgesprochen lockerer Chorleiter tritt vor die gut 400 Sängerinnen und Sänger in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Gotteshaus. Ruft zu „dreckigem“ Singen auf, verlangt aber nur wenige Takte später eine noch genauere Betonung - und ein akkurates Lesen des Textes: „Da steht doch ein ,t"" - und nicht etwa ein sächsisch-weichgespültes „d“. 

„T“ auch wie „Tempo“ - und da kennt Hans-Martin Sauter kaum ein Tempolimit: Schneller will er manche Passage haben, aber auch betonter gesungen.

Und manchmal auch treffsicherer: „Wer bekommt das hohe h hin?“ Als im weiten Kirchenraum nur wenige Hände zögernd nach oben gehen, ist das nicht weiter schlimm: „Dann geht eben in eine tiefere Lage." Problem gelöst.

Die Sache mit dem Borussia-Spiel

Kritiker sagen manchen Dirigenten nach, ihre Ensembles zu quälen - Pedanten und geradezu Musik-Diktatoren zu sein. Ganz anders nehmen die Sängerinnen und Sänger ihren „Chef“ Sauter wahr: „Die Anreise hat sich schon gelohnt - allein wegen des Dirigenten", schwärmt das wahrscheinlich weitestgereiste „Martin Luther King“-Chormitglied: Kilian Schröder aus Dortmund hat sich beim Evangelischen Kirchentag vom Musical-Fieber anstecken lassen und macht nun bei den Ludwigsburger Aufführungen mit.

Jeden Kilometer Fahrt ist es ihm wert. Dafür lässt der Fußballfan am Sonntag sogar das Spiel „seiner“ Borussia bei Eintracht Frankfurt sausen.

D' Fuierwehr vo' Plattahardt

„Der Dirigient bringt einfach so viel Leidenschaft und Enthusiasmus rüber“, fasst Schröder seine Eindrücke nach zweieinhalb Stunden Probe zusammen. Vielleicht hat der Westfale Schröder zwar nicht alles verstanden, als Chorleiter Sauter beispielsweise die Anekdote von „D' Fuierwehr vo' Plattahardt" einstreut und für schallendes Gelächter in der Bonhoeffer-Kirche sorgt.

Aber sicherlich hat seine Schwägerin Ulrike Schröder aus Möhringen gedolmetscht, die ebenfalls Mitglied des „Martin Luther King“-Projektchores ist. Vor Jahren sang sie regulär in einem Chor - nun hat sie ihre „Singe-Auszeit" für das Musical beendet.

Im „Halleluja-Bunker“

Es ist schon bemerkenswert: Eine der letzten strahlenden 25-Grad-Sommernachmittage dieses Jahres opfern die Teilnehmer, um in einem der berühmt-berüchtigten „Halleluja-Bunker“ zu proben, sich korrigieren zu lassen - und immer wieder dieselben Takte zu singen.

„Wenn man von draußen reinkommt, wirkt die Bonhoeffer-Kirche schon wie eine dunkle Betonhöhle", meint Richard Artujat schmunzelnd. „Aber die Akustik und das Gemeinschaftsgefühl sind ein guter Ersatz dafür, nicht im Garten sein zu können." Der Reutlinger hat zwei große Hobbys: seinen Kleingarten und das Singen, dem er normalerweise in einem der inzwischen seltenen Männergesangvereine fröhnt.

Kilian Schröder kommt aus Dortmund - und ist wahrscheinlich der am weitesten angereiste Teilnehmer des Chormusicals. Doch auch seine in Möhringen beheimatete Schwägerin Ursula Schröder macht beim Musical mit.Siegfried Denzel/EMH

Auch Ursula Froese ist wegen ihrer „Liebe zum Singen“ dabei. Normalerweise macht die Stuttgarterin in einem ökumenischen Kirchenchor mit. Hier bei „Martin Luther King“ sei es die „große Zahl der Mitwirkenden“ und auch der spirituelle Inhalt, was bereits die Probe zu einem Erlebnis werden lasse.

„Einfach pure Freude“

Damit bringt sie auf den Punkt, was auch Chorleiter Sauter sowohl an sich selbst als auch bei den Sängerinnen und Sängern beobachtet: „Es macht tierisch Spaß und es ist beglückend - emotional eine richtige Bereicherung.“

„Ich habe noch nie an einem Stück so viel geübt.“

Hans-Martin Sauter, Kirchenmusikdirektor und Chorleiter

Deshalb macht auch Michaela Heibel aus Dürlewang wieder mit: Sie gehörte im Reformationsjahr 2017 schon zu jenen 1.400 Frauen und Männern, die das Pop-Oratorium „Luther“ auf die Bühne gebracht haben.

Es sei „einfach die pure Freude“ - auch wenn sie in der Menge der aktuell Mitwirkenden noch keine Bekannten von vor zwei Jahren habe entdecken können. Aber halb so wild: Schließlich gehe es auch darum, „neue Leute kennenzulernen“.

29 Chöre dabei

Unterdessen macht Hans-Martin Sauter seinem Ensemble ein großes Kompliment: Alle haben sich nach seinem Eindruck akkurat vorbereitet, viele sich auch bereits in ihren Heimatchören mit dem Musical vertraut gemacht.

Insgesamt wirken bei den beiden Ludwigsburger Aufführungen 29 regionale Chöre mit; außerdem haben sich zahlreiche Einzelsänger angemeldet. Alle zusammen tragen dazu bei, dass sowohl am 25. als auch am 26. Januar jeweils rund 800 Männer und Frauen in der MHP Arena Ludwigsburg das Leben und Wirken des 1968 in Memphis ermordeten Baptistenpredigers Martin Luther King musikalisch nachzeichnen werden.


Veranstalter der Aufführungen ist die Stiftung Creative Kirche in Witten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und dem Evangelischen Jugendwerk in Württemberg (EJW). Schirmherr ist Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July.


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