| Landeskirche

Tolerante Monarchie

Warum Oman für den christlich-islamischen Dialog ideal ist

Die Begegnung von Christen und Muslimen ist nicht nur wünschenswert, sondern eine „heilige Pflicht“. Das sagte Landesbischof Frank Otfried July vor wenigen Tagen bei seinem zweiten Besuch in Oman. Der Öl-Staat mit seinen rund 4,4 Millionen Einwohnern scheint für solche Begegnungen besonders geeignet, denn die Monarchie unter Sultan Qabus bin Said zeigt eine Toleranz gegenüber anderen Religionen, wie sie in muslimischen Staaten selten ist. 

Auf Einladung des Religionsministers des Oman, Scheich Abdullah bin Mohammed al Salimi, ist Landesbischof July mit einer Delegation in den Oman gereist.Oliver Hoesch

Seit fünf Jahren pflegen die Universität Tübingen und das Scharia-Institut in Omans Hauptstadt Maskat einen Studentenaustausch. Viermal waren Tübinger in der islamischen Rechtsschule zu Gast, im vergangenen Jahr gab es den ersten Aufenthalt von Omanis in Tübingen. Von deutscher Seite ausgetüftelt wurde das Programm vom Islambeauftragten der württembergischen Landeskirche, Pfarrer Heinrich Georg Rothe, und dem Tübinger Professor für Religionswissenschaften und Judaistik, Stefan Schreiner. 

Der 29-jährige Salim al Sheidi gehörte zur ersten Gruppe in Tübingen. Hauptberuflich arbeitet der verheiratete Vater einer Tochter in der Personalabteilung des Ministeriums für Höhere Bildung in Maskat, nebenbei studiert er am Scharia-Institut islamisches Recht. Die Begegnung mit Menschen anderen Glaubens in der schwäbischen Universitätsstadt hat ihn nach eigenen Worten fasziniert. Er besuchte Kirchen, lernte in Kursen das Christentum kennen, erhielt eine Bibel in arabischer Sprache. 

Irritationen blieben bei seinem Besuch nicht aus, erzählt er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Kaum nachvollziehbar ist für ihn, der täglich mehrfach zum Beten in die Moschee geht, dass die Kirchen in der Regel nur einmal pro Woche besucht werden und ansonsten leer stehen. Gerade unter jüngeren Leuten stellte er - im Gegensatz zu seinem Heimatland - nur wenig Interesse an Glaubensfragen fest. Was ihm am besten in Deutschland gefallen habe? Salim, der im Wüstenstaat am Golf von Oman aufgewachsen ist, lächelt und sagt: „Der Regen - und das Grün der Landschaft.“ 

Omans Religionsminister Scheich Abdullah bin Mohammed al Salimi sieht sein Land als „Vorbild für die Religionen der Welt“. In der Hauptstadt stehen zwei vom Staat bereitgestellte Areale, im Rest des Landes zwei weitere für Gottesdienste und christliche Treffen zu Verfügung. In diesen „Compounds“ gibt es freitags - dem arbeitsfreien Tag der Woche und muslimischen Ruhetag - Gottesdienste wie am Fließband. Katholische Messen, orthodoxe Riten, anglikanische Kommunion, pfingstkirchliche Anbetungsfeiern, evangelikale Lobpreis-Events - das alles auf engstem Raum und so bunt gemischt wie das Publikum mit seinen indischen, schwarzafrikanischen, europäischen, aber nur wenigen arabischen Gesichtern. 

Besuch einer Moschee in der Landeshauptstadt Maskat.Oliver Hoesch

Jüdisches Gemeindeleben gibt es im Oman seit 1948 nicht mehr, doch schiene eine Synagoge in den Straßen von Maskat kein Tabu. Immerhin gibt es im Land schon lange Hindu-Tempel, was für strenge Muslime eine Zumutung ist, da die Vielgötterei der Hindus in massivem Widerspruch zum islamischen Monotheismus steht. Konversionen omanischer Muslime hin zum Christentum sind eher riskant. Das Gesetz verbietet den Religionswechsel zwar nicht, doch drohe die Trennung von der Familie und teilweise auch der Verlust des Arbeitsplatzes, berichtet ein Konvertit am Rande eines christlichen Gottesdienstes. 

Dass der seit 1970 regierende Machthaber Sultan Qabus bin Said bei aller Großzügigkeit mit Hilfe seines Sicherheitsapparats darauf achtet, dass nirgendwo revolutionäre Umtriebe aufkeimen, ist allen Akteuren im Land klar. Parteien sind verboten, eine Opposition kann sich erst gar nicht organisieren, Internet und Telefone werden überwacht. 

Der Sultan verbindet seine autoritäre Position gleichzeitig mit einem konzilianten Regierungsstil, besucht jedes Jahr mit seiner Ministerriege alle Regionen und berücksichtigt zu allgemeiner Zufriedenheit die Wünsche seiner Untertanen. Das System funktioniert so gut, dass selbst viele ausländische Beobachter sagen, die Monarchie unter diesem Sultan sei für Oman wahrscheinlich besser als etwa eine Demokratie nach westlichem Vorbild.

In ihren Predigten sind die Christen sogar freier als die Muslime. Denn in den Moscheen darf beim Freitagsgebet nur eine Predigt verlesen werden, die das Religionsministerium zuvor freigegeben hat. Solche Auflagen gibt es für Priester und Pfarrer nicht. Andererseits wissen die kirchlichen Verkündiger genau, dass der Staat auch bei ihnen immer zuhört. 

Württembergs Bischof July sieht einen doppelten Nutzen der Partnerschaft mit Institutionen in Oman. Zum einen sollten dort Christen in ihrem Glauben ermutigt werden, zum anderen lasse sich der Dialog mit dem Islam fördern. Dabei gehe es nicht um Religionsvermischung, sondern um die gemeinsame Verantwortung für Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dieses Anliegen soll laut July nicht nur von „Berufsdialogikern“ betrieben werden, sondern an der Basis ankommen - in Moscheen von Maskat ebenso wie in Kirchengemeinden in Stuttgart.


Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)


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