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„Gottes Geist lässt die Würde jedes Menschen aufleuchten“

Pfingstbotschaft von Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July

Zum Pfingstfest schreibt Dr. h. c. Frank Otfried July, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg:

Pfingsten im Jahr 33, Jerusalem: Tausende Menschen unterschiedlicher Sprache und Kultur. Sie alle verstehen mit einem Mal, was die einfachen Jesus-Nachfolger aus der Provinz ihnen über Gott sagen. Von einem unglaublichen Verstehen berichtet die Bibel. 

Pfingsten im Jahr 2019, Europa: Hunderttausende unterwegs, und jeder brüllt mit Tastatur oder Megaphon ausgerüstet seine Meinung in die Welt. Immer lauter. Immer schneller. Und keiner versteht mehr den anderen. 

Das Durcheinander in Großbritannien, rechte Europa-Wahlsieger in Frankreich und Italien, Parteien, die das Volk verloren haben, Empörungswellen im Netz, die mal hierhin, mal dahin rollen. Abschottung aus Angst. Die Populisten-Kakophonie treibt in Verunsicherung und Wut. 

Und wir? Was verstehen wir von dem, was andere umtreibt? Wer außerhalb unserer Echokammer ist - halten wir mit dem noch Kontakt? Ist es nicht inzwischen zu anstrengend geworden, sich mit anderen und ihren Überzeugungen auseinander zu setzen? 

Der Heilige Geist brachte damals in Jerusalem gegenseitiges Verstehen und schaffte eine neue Gemeinschaft. Ohne diesen Geist Gottes gäbe es keine Kirche. 

Dieser Pfingstgeist spricht heute mit leiser Stimme. Seine Spuren müssen wir suchen, sie drängen sich nicht marktschreierisch auf. Wir finden sie bei den Helfenden. Die sich für andere einsetzen und sie vor dem Ertrinken im Mittelmeer retten. Die für medizinische Hilfe sorgen, wo es sie kaum gibt. Die sich um die Mitmenschen kümmern, um die sich sonst keiner sorgt. Die von Gottes Liebe und Barmherzigkeit sprechen, die tröstet und aufrichtet. Die sich für ihre Gemeinschaft, für ihre Gesellschaft, für ihre Kirche einsetzen, auch wenn es mehr kostet als einbringt. 

Der Heilige Geist lässt uns auf die anderen zugehen, lässt uns den Ausgleich suchen, will verbinden statt trennen, hilft Egoismus zu überwinden. Geht die Extrameile. Der Pfingstgeist schafft Raum für das Gespräch zwischen bisher Unversöhnlichen. 

Das tun wir in unserer Kirche und das wollen wir auch in unserer Gesellschaft: Den Ausgleich zwischen Streitenden suchen, den anderen zuhören und uns um Verstehen und Verständigung bemühen. Dazu gehört deutlich zu machen: Gottes Geist lässt die Würde jedes Menschen aufleuchten. Wo sie verdunkelt wird, wird auch Gott verdunkelt, ja, kann „Geistlosigkeit“ eintreten. Das muss auch benannt werden. 

Mir scheint, wir brauchen diesen Geist des Anstoßes mehr denn je. Diesen Heiligen Geist, der uns die Kraft, den Mut und die Ausdauer dazu gibt. 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Geistesblitze des Heiligen Geistes und frohe und gesegnete Pfingsten!

Ihr Dr. h. c. Frank Otfried July, Landesbischof

 

Hinweis: Die Geschichte von Pfingsten findet sich in der Bibel in der Apostelgeschichte im zweiten Kapitel.