| Landessynode

Die Schwester auf der Langstrecke

Margarete Mühlbauer zieht Bilanz nach 24 Jahren in der Landessynode

Schwester Margarete Mühlbauer gehörte der württembergischen Landessynode 24 Jahre lang an. Mit einem Debattenbeitrag am vierten und letzten Tag der Herbstsitzung Mitte Oktober verabschiedete sie sich aus dem Kirchenparlament.Siegfried Denzel/EMH

Schwäbisch Hall/Stuttgart. In wenigen Monaten endet die Amtszeit der 15. Landessynode offiziell. Einige Synodale sagen nach jahrzehntelanger Mitgliedschaft im Kirchenparlament Adieu - so wie Schwester Margarete Mühlbauer, die vier Legislaturperioden lang Synodale war. elk-wue.de hat mit ihr gesprochen.

Margarete Mühlbauer legt Wert auf die Bezeichnung „Schwester“: „Ich bin Diakonisse - das Dasein für andere ist meine Maxime." Und: „Ich habe für meinen Beruf gelebt.“

Das kleine Wort „Schwester“ sagt viel aus über die 65-Jährige - und führt zugleich in die Irre.

Denn wer bei der Selbstbeschreibung der Diakonisse automatisch an ältere Frauen in unscheinbarer grau-schwarzer Schwestern-Tracht und weißem Häubchen denkt, kennt Margarete Mühlbauer nicht: Als sie am letzten Tag der Herbstsynode Mitte Oktober ein letztes Mal vor ihrem Abschied aus dem württembergischen Kirchenparlament ans Rednerpult tritt, ist von Grau-Schwarz nichts zu sehen.

Nein, ein leuchtend oranger Schal und ihre moderne rote Brille unterstreichen die Energie von Schwester Margarete. Hier verabschiedet sich niemand, der ausgebrannt ist nach vier Legislaturperioden und Hunderten Stunden Sitzung.

„Alles hat seine Zeit“

Hier verabschiedet sich eine Frau, die sich bewusst für einen neuen Lebensabschnitt entschieden hat. Seit dem vergangenen Jahr ist die frühere stellvertretende Oberin und Geschäftsbereichsleiterin der Diakonie Schwäbisch Hall im Ruhestand. Und so gerne sie ihren Beruf ausgeübt und Verantwortung für 500 Mitarbeiter und einen Umsatz von jährlich 15 Millionen Euro hat: Nun nimmt sie sich Zeit für das Leben nach dem Beruf, der eine Berufung war.

Zeit beispielsweise zur Pflege ihrer hochbetagten Mutter. Und Zeit für ihre eigenen Interessen.

„Ich genieße es, dass ich ohne zeitlichen Druck Stimmbildung in der Kantorei machen kann“, nennt Margarete Mühlbauer ein Beispiel. Außerdem hat sich an der Haller Akademie der Künste eingeschrieben: In diesem Jahr konzentrierte sie sich auf die Malerei - im nächsten Jahr will sie es mit Bildhauerei versuchen.

Und: Sie nimmt Einzelunterricht in Englisch. Verwandte von ihr leben in Kanada - und „auf Englisch erzählen zu können ist was anderes als nur mit Englisch durchzukommen“. Fast überflüssig zu erwähnen, dass sie nicht einfach nur durchkommen will...

„Alles hat seine Zeit“, sagt die 65-Jährige - und lebt wie befreit in ihrer aktuellen „Erholungsphase“. Wohl wissend, dass es auch wieder anders kommen kann...

Margarete Mühlbauer beim Malen in der Haller Akademie der Künste.privat/EMH

Jeden Tag 1.000 Meter

Margarete Mühlbauers Disziplin ist die Langstrecke - und zwar sowohl im wörtlichen wie auch übertragenen Sinn. „Ich habe alle meine Ämter sehr lange gehabt“. Beruflich als Diakonisse, ehrenamtlich als Synodale und Vorsitzende des Evangelischen Landesverbands für Diakonie-Sozialstationen. Ihre Tätigkeiten messen sich nach Jahrzehnten.

Sogar sportlich ist sie auf der Langstrecke zuhause. „Jeden Morgen schwimme ich 1.000 Meter“ - und das Blitzen in ihren Augen zeigt: Es gibt manches, auf das sogar eine uneigennützig und bescheiden arbeitende Diakonisse persönlich richtig stolz ist. Genauso übrigens wie auf das Bundesverdienstkreuz für ihre Tätigkeit in der Pflege, das ihr Ministerpräsident Winfried Kretschmann 2012 im Neuen Schloss in Stuttgart angesteckt hat.

Schwester Margarete Mühlbauer im vergangenen Jahr in ihrer „Arbeitskleidung“.EPD/Müller

„Sehr gute Auseinandersetzungen“

Stolz könnte sie auch auf ihre vier Legislaturperioden in der württembergischen Landessynode sein. Aber wenn Margarete Mühlbauer über ihre Zeit im Kirchenparlament berichtet, klingt das eher nach abgeschlossener Lektüre eines guten Buches - mit vielen Kapiteln über Höhe- und Tiefpunkte.

„Für mich war immer ein Highlight, wenn wir nach intensiver Diskussion miteinander eine gute Lösung gefunden haben“, sagt die scheidende Synodale, „dann war ich einfach glücklich“. Als sehr bereichernd empfand sie „das Kennenlernen toller Leute, sehr stärkende Predigten und Andachten“ - und „sehr gute Auseinandersetzungen“.

Die Hallerin hat durchaus Vergleichsmöglichkeiten - zwischen Kirchen- und Kommunalpolitik: Denn auch im Kreistag von Schwäbisch Hall saß sie als Parteilose.

Welches Parlament sie vorzieht, zeigt bereits die unterschiedliche Dauer ihrer Zugehörigkeit: Kreisrätin war sie „nur“ fünf Jahre lang. „Gegenüber der Kommunalpolitik haben wir in der Kirche immer eine andere Gesprächskultur“, sagt Margarete Mühlbauer.

Belastender Spardruck

Und doch gab's natürlich auch im kirchlichen Bereich Tiefpunkte. Am Anfang ihrer Synodalzeit habe sie der Spardruck sehr belastet - das Ringen um millionenschwere Einsparungen oder „dass wir nicht alle Theologiestudenten in ein Vikariat übernehmen konnten", zählen für sie zu den traurigen Kapiteln ihrer Synodenzeit.

Kritik am Bluttest

In jüngster Zeit war es dann die Übernahme von pränatalen Bluttests in den Leistungskatalog der Krankenkassen, denen Margarete Mühlbauer zwar ablehnend, aber doch hilflos gegenüberstand - wie die württembergische Landeskirche und ihr Diakonisches Werk insgesamt.

Während beispielsweise die Evangelische Kirche in Deutschland den Bluttest auf Trisomie befürwortet, kommt aus Württemberg und in Person von Schwester Margarete auch aus Schwäbisch Hall deutliche Kritik: „Ich habe die Sorge, dass Frauen Vorwürfe gemacht werden, wenn sie ein behindertes Kind zur Welt bringen“, sagt sie - und ist damit wieder bei jenem Thema, das ihr gesamtes Leben seit der Schulzeit geprägt hat: das Eintreten für die Schwächeren in der Gesellschaft - egal, ob es sich um Kranke, Behinderte oder auch Flüchtlinge handelt.

„Gott wird mir zeigen, wo er mich braucht“

Nun pausiert Margarete Mühlbauer etwas und will neue Kräfte sammeln - bevor „Gott mir zeigen wird, wo er mich als nächstes braucht“.

Einen Fingerzeig hat die 65-Jährige aber wohl schon erkannt: Sie kandidiert für die Kirchenwahl am 1. Dezember - zwar nicht mehr als Synodale, wohl aber für den Kirchengemeinderat im Haller Stadtviertel Gottwollshausen. Denn „Wissen und Gaben kann man nicht einfach brach liegen lassen“.

Für alle, die nicht so ortskundig sind, erklärt Margarete Mühlbauer den etwas ungewöhnlichen Namen ihres Heimatdorfes mit hintergründigem Schmunzeln so: „Gott wollte, dass wir dort hausen.“


Siegfried Denzel


Mit unserem Porträt über Schwester Margarete Mühlbauer endet die Serie über jene fünf „dienstältesten“ Mitglieder der württembergischen Landessynode, die nun nach jeweils vier Amtsperioden aus dem Kirchenparlament ausscheiden: Neben Synodenpräsidentin Inge Schneider sind dies Tabea Dölker (Holzgerlingen), Hans Leitlein (Obersulm), Eva Glock (Heidenheim) - und Margarete Mühlbauer (Schwäbisch Hall).

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