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Wie privat ist Religion?

Landessynode befasst sich mit Urteil des Europäischen Gerichtshofs – Nachtragshaushalt verabschiedet

Stuttgart. Am zweiten Tag ihrer Frühjahrstagung hat die Württembergische Evangelische Landessynode am heutigen Freitag in einer Aktuellen Stunde über die Frage „Wie privat ist Religion?“ diskutiert. Anlass dafür war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu religiösen Symbolen am Arbeitsplatz. Außerdem haben die Synodalen den Ersten Nachtragshaushalt 2017 beschlossen und sich mit Kirche im ländlichen Raum beschäftigt. Die Synode tagt bis einschließlich Samstag im Stuttgarter Hospitalhof.

Aktuelle Stunde
Anlässlich eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das ein Verbot religiöser Symbole am Arbeitsplatz erlaubt, diskutierte die Landessynode in einer Aktuellen Stunde über die Frage, wie privat Religion ist. Professor Dr. Christian Heckel wies darauf hin, dass das Urteil den privatrechtlichen Bereich, nicht den staatlichen Raum betreffe. Deshalb könne aus dem Urteil nicht abgeleitet werden, dass Religion aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen werden solle. Pfarrerin Franziska Stocker-Schwarz erinnerte an die Gretchenfrage „Wie hältst du’s mit der Religion?“ aus Goethes „Faust“ und forderte die Kirchen in Deutschland auf, von orientalischen Christen zu lernen. Dort sei das Glaubensgespräch in der Öffentlichkeit oder das Bekenntnis zum Christentum durch ein eintätowiertes Kreuz vielerorts üblich. Ein Bekenntnis könne es auch sein, wieder das Tischgebet zu praktizieren.

Der Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl sagte, immer wenn es schwierig werde, werde versucht, Religion zur Privatsache zu erklären, und man meine, damit das Problem gelöst zu haben. Er rief dazu auf, selbstbewusst für die positive Religionsfreiheit einzutreten, die „eine Antwort unseres Grundgesetzes auf die Barbarei gewesen ist, in der eine scheinbar aufgeklärte Zeit geendet hat.“ „Wo keine Götter sind“, zitierte er Novalis, „walten Gespenster.“ Die Synodale Dr. Waltraud Bretzger wies darauf hin, dass es nötig sei, „von unserem heimlichen Christentum wegkommen zu einer öffentlichen Vertretung unserer Werte und dazu, zu zeigen, wofür wir stehen.“ Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July kündigte an, dass man in der bundesweiten Kirchenkonferenz geistlicher Leiter in der kommenden Woche darüber sprechen werde. „Glaube ist persönlich, aber nicht privat“, so July.

Nachtragshaushalt
Mit großer Mehrheit bei nur einer Enthaltung hatte die Landessynode zuvor den 1. Nachtragshaushalt 2017 verabschiedet. Er hat ein Volumen von 1.148.000 Euro für befristete Maßnahmen. Die laufenden Kosten liegen bei 261.600 Euro pro Jahr.

Wie Finanzdezernent Dr. Martin Kastrup berichtete, schlägt beispielsweise das Projekt „Lieder App“, das Gottesdienstlieder auf Smartphones und Tablets bringen soll, mit 500.000 Euro Investitionskosten sowie 134.000 Euro an laufenden Kosten für die Zeit bis 2022 zu Buche. Für die Weiterentwicklung der kirchlichen Kommunikationsstrategie unter externer Begleitung sind 200.000 Euro vorgesehen. Knapp 173.000 Euro fließen in die kirchliche Begleitung der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn, wobei eine wesentliche Refinanzierung durch Landeszuschüsse erwartet wird. Der Rest soll durch Budgetrücklagen erfolgen. 150.000 Euro gehen an die Projektstelle Prävention von sexualisierter Gewalt.

Der Vorsitzende des Finanzausschusses Michael Fritz betonte, sein Ausschuss wolle die Finanzierung der „Lieder App“ wegen der hohen Kosten im Rahmen der Haushaltsberatungen 2018 noch einmal überprüfen. Fritz informierte die Synode darüber, dass der Finanzausschuss die Sperrvermerke für den Bau einer neuen Unterrichtsorgel an der Hochschule für Kirchenmusik Tübingen und für die Sanierung des Diakonischen Werks Württemberg in Stuttgart aufgehoben hat. Darüber hinaus mahnte er zur Sparsamkeit: „Große Aufgaben – große Gestaltungsmöglichkeiten. Wir werden diese nur schaffen, wenn wir unsere Kräfte aufs Wesentliche konzentrieren.“

Kirche im ländlichen Raum
„Die Zukunft der Kirche in ländlichen Räumen wird vielfältiger und heterogener sein als heute“, prognostizierte Dr. Thomas Schlegel von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Es werde nicht mehr „die große Lösung für eine ganze Landeskirche geben“. Entscheidend sei das Potenzial der Akteure vor Ort – und dass Landeskirchen flexible Rahmenbedingungen gewährleisteten. Schlegel nannte Beispiele wie „mobile Kirche“, die nicht mehr dauerhaft, sondern verlässlich tageweise an Orten präsent ist, kleine Andachts- oder Gottesdienstkerne vor Ort sowie Dorfkirchen, die sich anlässlich von Aktionen und Projekten verbinden. „Da ist nicht mehr die eine Kirche, die versorgt und damit definiert, wie Kirche auszusehen hat. Da ist eine Kirche, die gewährleistet und als Dienstleister für die Akteure vor Ort auftritt.“ Den Schwerpunkt Kirche in ländlichen Räumen vertieften die Synodalen in Workshops.

Am Abend werden zu diesem Thema noch Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz, sowie der Geschäftsführer des Evangelischen Bauernwerks in Württemberg e. V. und EKD-Beauftragte für agrarsoziale Fragen, Dr. Clemens Dirscherl sprechen. Am Samstag wird die Synode sich unter anderem mit den Beratungen zum PfarrPlan 2024 beschäftigen.

Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche