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Wie war das denn früher an Karfreitag?

Ältere Menschen erinnern sich

Christen aller Konfessionen feiern den Karfreitag als eines der höchsten Feste des Kirchenjahrs. Dieser Tag erinnert an das Leiden und Sterben Jesu, und das in besonderer Form: Die schwarzen Paramente an Altar und Kanzel heben den besonderen Charakter des Karfreitagsgottesdiensts ebenso hervor wie die Tatsache, dass die Altarkerzen an diesem Tag nicht brennen. Am Karfreitag – wie auch am Karsamstag – schweigen mancherorts in Anlehnung an die katholische Tradition sogar die Glocken. Auch von staatlicher Seite gelten für den Karfreitag bestimmte Einschränkungen wie beispielsweise das Tanzverbot. Auch Theater und Opern müssen in ihrem Spielplan den Karfreitag berücksichtigen.

Früher wurde der Karfreitag noch sehr viel strenger erlebt und gelebt. Es war ein Tag, an dem die Leute stiller und ernster waren als sonst. Ein Tag, der etwas mit Trauer und Tod zu tun hatte. Wir haben ältere Menschen gefragt: „Wie war das denn früher an Karfreitag und im Vergleich zu heute?“

Solveig Metzger (62), Referentin an der Familienbildungsstätte Ludwigsburg
"Als ich vier Jahre alt war, erzählte mir meine etwas ältere Cousine Ursel, dass am Karfreitag um um drei Uhr nachmittags Jesus gestorben ist und deshalb jedes Jahr um diese Zeit die Sonne hinter den Wolken verschwindet. So wurde es zur Tradition, dass wir alle Jahre wieder an Karfreitag zusammen im Bett lagen und gespannt gewartet haben, dass es drei Uhr wurde. Und tatsächlich wurde Jahr für Jahr für uns als Kinder der Himmel wieder dunkel. Das war für mich die Bestätigung, dass meine Cousine Recht hatte und Jesus wirklich am Karfreitag um diese Zeit gestorben ist. Heute spüre ich an Karfreitag, wenn ich um 15 Uhr in den Himmel blicke, eine kleine Erschütterung meines Glaubens, wenn die Sonne hell vom Himmel strahlt."

Maria Schlenker (82), ehemalige Missionarin der Basler Mission
"Ich kann mich noch gut an meine Kindheit erinnern, Ende der 1930er Jahre. Damals haben sich die Erwachsenen am Karfreitag schwarz gekleidet. Heute ist das nicht mehr so. In den Gottesdiensten an Karfreitag wurde, wie heutzutage auch, das Abendmahl empfangen. Früher aber war das Pflicht. Das wäre jedem in der Gemeinde aufgefallen, wenn man das verpasst hätte. Die Tradition, dass am Karfreitag kein Fleisch gegessen wird, gibt es auch heute noch. Früher hätte man aber von einer Sünde gesprochen. Der Karfreitag war früher ein sehr ruhiger Tag. Kein Kino, keine Feste, keine öffentlichen Veranstaltungen. Es war alles sehr still im Vergleich zu heute."

Reinhold Bauer (62), Mesner in der Kirchengemeinde Entringen (Kirchenbezirk Tübingen)
"Seit 1986 bin ich in unserer Kirchengemeinde Mesner. Mein damaliger Pfarrer hat mir damals schon beigebracht, dass der Karfreitag nicht so düster sein muss, wie viele annehmen. Der Trend heute ist in vielen Gemeinden nach wie vor, dass es am Karfreitag keine Blumen und keine Kerzen beim Gottesdienst gibt. Bei uns schon. Wenn es in der Schriftlesung von Jesus heißt: 'Es ist vollbracht! und neigte das Haupt und verschied', dann blasen wir unsere Kerzen aus. In unserer Kirchengemeinde zumindest haben sich diese stillen, ernsten Traditionen an Karfreitag verflüchtigt."


Mit freundlichen Grüßen

Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche