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Arbeitsrechtsregelungsänderungs-<br>gesetz beschlossen

Landessynode setzt Frühjahrstagung fort, verurteilt Rassismus in Deutschland

Stuttgart. Die Württembergische Evangelische Landessynode hat am Freitag ihre Frühjahrstagung fortgesetzt und das Arbeitsrechtsregelungsänderungsgesetz beschlossen. Außerdem hat sie sich mit der aktuellen Situation der Flüchtlingsarbeit in Württemberg und den Herkunftsregionen sowie der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion in Deutschland beschäftigt.

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum sogenannten „Dritten Weg“ von 2012 hat die Landessynode ihr Arbeitsrechtsgesetz entsprechend aktualisiert. Dabei entschieden die Synodalen gegen die Übernahme des entsprechenden Gesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Damit erhält sich die Landeskirche, so der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Professor Dr. Christian Heckel, Gestaltungsspielräume. Das kirchliche Arbeitsrecht betrifft in Württemberg rund 45.000 Mitarbeiter der Diakonie und 23.000 in der Landeskirche. Künftig werden die Gewerkschaften in die Arbeitsrechtlichen Kommissionen eingeladen, in denen die Vertreter von kirchlich-diakonischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch die Tarife und Arbeitsbedingungen aushandeln. An diesem „Dritten Weg“, der Streik und Aussperrung ausschließt, hält die Landeskirche fest. Da die Gewerkschaft „ver.di“ bislang eine Mitarbeit ablehnt, weil sie einen einheitlichen Tarifvertrag für den gesamten sozialen Bereich verlangt, hat die rechtliche Neuregelung vorerst keine Auswirkungen. Diakonische Einrichtungen, die bisher schon die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland anwenden, werden künftig in die Zuständigkeit der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland überführt.

Einmütig haben die Synodalen in einer „Aktuellen Stunde“ den Rassismus in der Gesellschaft verurteilt. Hetze gegen Menschen sei nicht zu dulden, und widerspricht christlichen Grundwerten. Kirchlicher Auftrag sei es, das Gespräch mit besorgten Gemeindegliedern zu suchen, und zwar mit ausgestreckter Hand und nicht mit ausgestrecktem Zeigefinger. Anlass war der Rücktritt eines aus dem Kongo stammenden katholischen Pfarrers im oberbayerischen Zorneding wegen Morddrohungen.  

Die Flüchtlingshilfe in der Landeskirche wird sowohl in Württemberg als auch in den Herkunftsregionen verstärkt. Aktuell gibt es in den Landeserstaufnahmestellen Ellwangen, Meßstetten, Sigmaringen und Wertheim 15,5 Stellendeputate in der Sozial- und Verfahrensberatung in diakonischer Trägerschaft, so Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg. Für die Standorte Stuttgart, Tübingen und Herrenberg laufen derzeit Verhandlungen. Insgesamt sind Mitarbeitende auf 60 Stellendeputaten im Bereich der Flüchtlingsarbeit tätig. Rund 1.200 unbegleitete Minderjährige (UMA) werden derzeit in 45 kirchlich-diakonischen Einrichtungen betreut. Auch das ehrenamtliche Engagement nimmt weiter zu, allein im Landkreis Göppingen ist die Zahl der Helferinnen und Helfer von 360 (2015) auf 700 (2016) gewachsen. Die Landeskirche will dieses phänomenale Engagement weiter unterstützen.

Kirchenrat Klaus Rieth berichtete über die Hilfe in den Herkunftsregionen. Die Landeskirche unterstützt zum Beispiel Geflohene aus Mossul und der Niniveh-Ebene in Dohuk. In der Stadt Kirkuk werden Folteropfer in einem Trauma-Zentrum begleitet. Auch in der Türkei, Jordanien, Syrien dem Libanon sowie mehreren afrikanischen Ländern beteiligt sich die Landeskirche daran, Flüchtlingsursachen zu bekämpfen. 

In diesem und dem kommenden Jahr stellt die württembergische Landeskirche insgesamt 13,4 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung. Diese Flüchtlingshilfe, so beschloss die Landessynode weiter, soll weiterhin zur Hälfte für die Unterstützung in den Herkunftsregionen verwendet werden.

Der für Finanzen zuständige Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup bezeichnete die seit zehn Jahren bestehende Fundraising-Stelle als „einen Riesenerfolg“. Alleine die freiwilligen Beiträge in den Kirchengemeinden seien von 3,6 Millionen Euro 2006 auf zwischenzeitlich über neun Millionen Euro pro Jahr gestiegen. Nach Kastrups Berechnungen hat das kirchliche Fundraising in den vergangenen zehn Jahren rund 80 Millionen Euro an Spenden aus dem freiwilligen Gemeindebeitrag und weitere 20 Millionen für die Gründung neuer Stiftungen gebracht. Ende vergangenen Jahres gab es 131 kirchliche Stiftungen und ein Dutzend Unterstiftungen und Stiftungsfonds im Bereich der Landeskirche. 71 davon sind durch die Landeskirchenstiftung auf den Weg gebracht worden, ihr Vermögen umfasst und 18,5 Millionen Euro. „Stiftungen sind neben den Zuweisungen aus Kirchensteuer, den Opfern und Spenden sowie Kostenersätze zu einer vierten Finanzierungssäule geworden“, bilanziert Pfarrer Helmut Liebs, Fundraiser der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. 

Die Frühjahrstagung dauert noch bis Samstag, 12. März. An diesem Tag steht unter anderem der erste Nachtragshaushalt 2016 auf der Tagesordnung.

Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche